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Ärger vor der Schleuse: Wassertourismus befürchtet Einbußen

Beschauliche Kanäle, glasklare Waldseen: Das Seenland Oder-Spree lässt sich auch auf dem Wasser wunderbar erkunden. Wenn da nicht die Schleusen wären.

Von Jeanette Bederke, dpa 24.08.2016, 08:21

Berlin (dpa) - Kundenfreundlicher Tourismus sieht für mich anders aus, schimpft Felizitas Rohsmeisl. Gemeinsam mit drei Freundinnen war die Buckowerin (Märkisch-Oderland) per Kanu auf der Dahme unterwegs. Von dort aus sollte es weitergehen in Richtung Scharmützelsee.

Doch an der Schleuse Neue Mühle bei Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) war der Ausflug jäh beendet. Die vier Frauen mussten kehrtmachen, weil sie neun Minuten zu spät waren: Ab 18 Uhr ist die Schleuse geschlossen - nichts geht mehr.

Die Beschwerde beim Tourismusverband des Seenlandes Oder-Spree folgte prompt, auch wenn der für die frühen Schließzeiten gar nicht verantwortlich ist. Geschäftsführerin Ellen Rußig hat dennoch Verständnis. Wer auf dem Wasser unterwegs ist, macht das gern von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

Die Entscheidung des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, die Schleusenzeiten in Ostbrandenburg um vier Stunden zu verkürzen, um Personal zu sparen, schränke den wachsenden Wassertourismus erheblich ein. Früher lief der Betrieb bis 22 Uhr. Vor allem Wochenendausflügler aus Berlin überlegten sich inzwischen, ob sie Brandenburgs beliebteste Reiseregion für einen Kurztrip besuchen, bemerkt Rußig.

Das Problem: Die Schleuse Neue Mühle an der aus Berlin herausführenden Dahme ist auf dem Wasserweg der einzige Zugang aus der Bundeshauptstadt in die Ostbrandenburger Region mit ihren rund 300 Seen. Von hier aus geht es über die Storkower Gewässer gen Osten oder weiter südlich in den Spreewald. Ob Freizeitkapitäne nun zum Scharmützelsee wollen oder weiter bis zur Oder - sie alle müssen zwangsläufig da durch, erläutert Rußig. Das gelte nicht nur für motorisierte Boote, sondern auch für Kajaks oder Kanus. Da gibt es keine Möglichkeit, das Boot an der Schleuse vorbeizutragen.

Einen spürbaren Rückgang des Wasser-Freizeitverkehrs verzeichnen nicht nur die Ostbrandenburger, sondern auch die Berliner Touristiker. Wir vermarkten den Müggel- und den Scharmützelsee in Kooperation - zwischen beiden liegen allerdings drei Schleusen mit eingeschränkten Öffnungszeiten, sagt Mathis Richter, Chef des Tourismusvereins Berlin Treptow-Köpenick.

Wir haben noch keine belastbaren Zahlen, aber die negativen Auswirkungen sind spürbar, die Beschwerden häufen sich. Zudem gebe es kurz vor den Schließzeiten stundenlange Bootsstaus an den Schleusen - inklusive lautstarker Tumulte, erzählt der Berliner, der selbst leidenschaftlicher Freizeitkapitän ist.

Betroffen sind nicht nur Wasserwanderer und Ausflügler, sondern auch Gastronomen, Hoteliers, Bootsverleiher oder Vermieter von Ferienwohnungen - all jene, die in der Region von Touristen leben. Es sind deutlich weniger Boote auf dem Wasser, hat Guido Haß, Geschäftsführer der Scharmützelsee-Schifffahrt in Bad Saarow (Oder-Spree) beobachtet. Er betreibt nicht nur vier große Fahrgastschiffe, sondern vermietet auch 224 Liegeplätze für fremde Boote.

Haß plant zwei weitere Steganlagen mit 200 Anlegeplätzen, hat aber inzwischen Zweifel, ob er die tatsächlich bauen soll. Der Wassertourismus sei ein Wachstumsmarkt, von dem die Region quasi abgeschnitten werde. In Richtung Norden hin zur Mecklenburgischen Seenplatte haben die Schleusen länger offen. In Richtung Westen gibt es kaum Schleusen. Dann fahren die Ausflügler eben dorthin und wir haben das Nachsehen.

Schon mehrfach, wenn auch vergeblich, haben sich die Tourismusverbände an das für Bundeswasserstraßen zuständige Bundesverkehrsministerium gewandt und zudem regionale Bundestagsabgeordnete ins Boot geholt, um zu alten Zeiten zurückzukehren. Der Schleusenbetrieb sei jetzt wirtschaftlicher, werde dort argumentiert, berichtet Richter. Die von uns geschilderten Auswirkungen wurden als Einzelfälle abgetan.

Jetzt werden sowohl in Berlin als auch in Ostbrandenburg Unterschriften für eine Petition an den Bundestag gesammelt. Kommen binnen vier Wochen 50 000 zusammen, gäbe es nicht nur eine öffentliche Debatte, sondern die Touristiker würden auch Rederecht vor den Abgeordneten erhalten.

Tourismusverein Berlin Treptow-Köpenick