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Forstwirtschaft Fürst pokert um Harzer Wälder

Das Land Sachsen-Anhalt hofft auf die Übernahme eines bedeutenden Adelsarchives. Der Besitzer fordert dafür Landeswald.

Von Hagen Eichler 02.09.2015, 01:01

Wernigerode/ Magdeburg l Mehr als 1000 Jahre Geschichte dokumentiert das Fürstliche Herrschaftsarchiv Stolberg-Wernigerode. Die wertvollen Akten lagern in der Wernige­röder Orangerie in der Obhut des Landesarchivs Sachsen-Anhalt – noch. Denn seit dem 1. Dezember 2014 kann das 1945 von den Sowjets enteignete Fürstenhaus zu Stolberg-Wernigerode wieder frei darüber verfügen. Die Landesregierung müht sich hinter den Kulissen, das Archiv in Sachsen-Anhalt zu halten.

Doch die Verhandlungen sind äußerst zäh. Der Chef des Fürstenhauses, Philipp zu Stolberg-Wernigerode, fordert als Gegenleistung für das Archiv Wald aus Landesbesitz. 2003 hatte er bereits von der Treuhand-Nachfolgerin BVVG das Forstrevier Hasserode gekauft, das seiner Familie bis 1945 gehört hatte. Dort angrenzend möchte er noch weitere Waldflächen übernehmen.

In der CDU gibt es Befürworter eines solchen Tausches. Die SPD aber ist entschieden dagegen. „Es ist wichtig, Sachsen-Anhalts Kulturgüter im Land zu behalten“, sagt Landespartei- und Fraktionschefin Katrin Budde. „Aber unsere feste Position ist, dass das Land keinen Wald verkaufen darf.“ Das haben CDU und SPD auch im Koalitionsvertrag verankert.

Verhandlungsführer des Landes ist Holger Stahlknecht (CDU), als Innenminister zuständig für das Landesarchiv. Im jüngsten Koalitionsausschuss haben beide Regierungsparteien vergeblich nach einer Lösung gesucht. Damit droht ein jahrzehntelanger Streit zwischen dem Adelsmann und Politikern in Sachsen-Anhalt erneut zu eskalieren.

Schon vor 15 Jahren drängte der Fürst die Regierung, ihm im Harz Landeswald zu verkaufen. Im Gegenzug wollte er auf Hunderte Einrichtungsgegenstände von Schloss Wernigerode verzichten, auf die er einen Rechtsanspruch hatte. Als die Verhandlungen auch nach Jahren nicht vorankamen, drohte er mit dem Verkauf der Museumsschätze auf dem freien Kunstmarkt. 2007 ließ er gar eine tonnenschwere Kanone aus dem 16. Jahrhundert von der Schlossterrasse abtransportieren und auf sein hessisches Gut Hirzenhain bringen. Aus der halleschen Landesbibliothek holte er 18.000 Bände der einstigen fürstlichen Bibliothek ab.

Zur Zukunft des Wernigeröder Archives will sich Fürst Stolberg nicht äußern. Er führe mit Minister Stahlknecht Gespräche „in einer vertraulichen Atmosphäre“, teilte er auf Volksstimme-Anfrage mit. Auch die Landesregierung schweigt. Die Stadt Wernigerode hofft, dass das Archiv in der Stadt erhalten bleibt, ist aber an den Gesprächen nicht beteiligt.

Durch die in den vergangenen Jahren gestiegenen Holzpreise ist Wald eine lukrative Einnahmequelle. Adlige gehören zu den großen privaten Waldbesitzern im Harz. Darunter sind etwa Ernst August von Hannover sowie der Forstunternehmer und Hotelier Clemens Ritter Kempski von Rakoszyn.