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Kunstschätze Magdeburger entdeckt verblichene Schätze

Der Wissenschaftler Andreas Herzog schärft mit einer neuen Kamera die Augen vieler Kunsthistoriker.

02.09.2015, 23:01

Magdeburg l Die Details der Wand- und Deckenmalereien im oberen Kreuzgang des Brandenburger Doms sind verblichen. Der Zahn der Zeit hat an ihnen genagt. Viele der Werke sind im Laufe des 15. Jahrhunderts entstanden. Damals sind an den Wänden Menschen in prachtvollen Gewändern zu sehen gewesen, Fischerboote oder galoppierende Pferde. Doch nach mehreren Jahrhunderten sieht der Betrachter heute nur noch Fragmente, die auf einst prachtvolle Malereien hindeuten.

Mit Hilfe des Magdeburger Wissenschaftlers Andreas Herzog können diese historischen Schätze nun wiederentdeckt werden. Eine Hyperspektralkamera macht die Malereien mit einer Software, die am Fraunhofer-Institut in Magdeburg entwickelt worden ist, wieder sichtbar.

Die Technik ist dem Menschen weit überlegen. „Das menschliche Auge setzt alle wahrgenommenen Farbtöne aus den Farben Rot, Grün und Blau zusammen. Die Kamera hingegen verfügt über 51 Farbtöne. Sie kann daher Farbtöne voneinander unterscheiden, die für das menschliche Auge gleich wirken“, erklärt Wissenschaftler Andreas Herzog. Die Kamera hat das Forschungsinstitut von einem Unternehmen aus den USA gekauft. Kosten: rund 30 000 Euro.

Das Prunkstück der Technik ist jedoch nicht die Kamera, sondern die Software, die in den vergangenen fünf Jahren von Herzog und seinen Kollegen entwickelt worden ist. Das Programm erstellt aus den Daten eines Hyperspektralbildes rund einhundert Bilder. „Die Software rechnet automatisch die verschiedenen Aufnahmen der Kamera durch“, sagt Herzog. Kunsthistoriker sehen sich diese Bilder an und können sie anschließend interpretieren.

Dank der verschiedenen Aufnahmen können die Experten auch erkennen, ob eine Malerei in verschiedenen Etappen entstanden oder im Laufe der Zeit bereits restauriert worden ist. „Auch wenn die Farben, die der Künstler verwendet hat, gleich ausgesehen mögen haben. Es ist kaum möglich gewesen, sie gänzlich gleich zu mischen. Die Software entdeckt diese Unterschiede“, erklärt der Wissenschaftler.

Auch bislang hatten Kunstexperten die Möglichkeit, verblichene Schätze teilweise wieder aufzuspüren. Dafür sind verblichene Malereien mit ultraviolettem Schwarzlicht angestrahlt worden. Die Rückstände der Farben begannen zu leuchten. Hielten die Historiker ihre Entdeckungen mit einer herkömmlichen Kamera fest, zeigten sich ebenfalls verborgene Strukturen. Der Nachteil: Das Verfahren war aufwendig und schädlich für die Kunstwerke. Die Hyperspektralkamera arbeitet hingegen mit einer herkömmlichen Lichtquelle. Malereien nehmen keinen Schaden.

Unter Kunsthistorikern galten die Werke im oberen Kreuzgang des Doms in Brandenburg an der Havel lange als verloren. Der deutsche Kunstmäzen Alexander von Minutoli erwähnte die Malereien zuletzt 1876 in einer Publikation. Danach müssen die Werke bei Renovierungsarbeiten überstrichen worden sein, erklärt die Restauratorin Mechthild Noll-Minor vom brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege. Kunsthistoriker und Restauratoren hatten die Malereien von 2002 bis 2005 schon einmal in Augenschein genommen. „Damals sind die Bilder freigelegt, dokumentiert und auch erforscht worden“, sagt Noll-Minor.

Durch die Zusammenarbeit mit dem Magdeburger Fraunhofer-Institut verspricht sich die Restauratorin dennoch neue Erkenntnisse. Denn die Hyperspektralkamera erweitere die Möglichkeiten für Forscher und Kunsthistoriker, so Noll-Minor. „Für uns ist das sehr spannend. Durch den Einsatz der Kamera mit verschiedenen Filtern erhoffen wir uns neue Sichtweisen auf die Malereien“, erklärt die Restauratorin.

Für Fraunhofer-Wissenschaftler Andreas Herzog ist der Einsatz im Brandenburger Dom noch nicht vorbei. Zunächst werden die Malereien mit Kamera und Software digital festgehalten. Im kommenden Jahr soll unter Federführung des Landesamts für Denkmalpflege ein Forschungsprojekt beginnen. Dann werden nicht nur die Wandmalereien im oberen Kreuzgang erneut begutachtet. Auch die Entwicklung von Andreas Herzog muss sich einem echten Härtetest stellen.