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Landtagsmitglieder Von Cognac und einer roten Rose

Wenn sich ehemalige Landtags-Mitglieder treffen, wird es launig. Es geht um die „Lügenpresse“, Cognac und eine Rose.

Von Oliver Schlicht 04.09.2015, 01:01

Magdeburg l Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) begrüßt knapp 100 Gäste im Plenarsaal des Landtages von Sachsen-Anhalt. „Es ist recht kühl“, entschuldigte er die Saaltemperatur, um dann mitzuteilen, dass ihm persönlich das nichts ausmache. „Ich bin schon seit Tagen auf Betriebstemperatur“, scherzt er mit Blick auf sein kleines Steuer-Problem.

Der Präsident nutzt dann auch ganz unpräsidial die Festansprache, um seinen persönlichen Frust auf den Berufsstand der Journalisten mitzuteilen. Der rangiere im Ansehen der Bürger an vorletzter Stelle, zitiert er eine Umfrage. Lediglich die Taxifahrer seien noch unbeliebter. Sogar das böse Wort „Lügenpresse“ flicht Gürth geschickt in seinen Vortrag ein. Fast triumphierend verkündet er, dass ihn am Morgen die Mitteilung des Finanzamtes erreicht habe, wonach er „keinen Cent“ Steuerschulden habe. Vorsichtiger Applaus.

Holla, die Waldfee! In der ersten Reihe umspielt Klaus Töpfers Mund ein kaum unterdrückter Anflug von Heiterkeit. Ihm ist zwar die fiskalische Haushaltsführung von Familie Gürth weitgehend unbekannt. Aber ohne Zweifel ist hier Bambule in der Kuhle, wie man so schön sagt. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sitzt zu seiner Rechten. Ein kleines Schulterzucken beendet den Programmpunkt.

Es folgt Konrad Breitenborn. Ein Urgestein der FDP, und das darf man wörtlich nehmen. Diesen groß gewachsenen Kerl mit gewaltiger Bass-Stimme zeichnet als Gesinnung vor allem eines aus: Heiterkeit. Das weiß auch das Festpublikum und freut sich. Breitenborn war Mitglied des ersten Landtages. Auf der kostituierenden Sitzung in Dessau am 28. Oktober 1990 gab es nicht einmal genügend Stühle in dem NVA-Kultursaal, erinnert er sich. „Die wurden dann aus Gaststätten und dem Theater herangeschafft.“

Musik gab es auch nicht. Obwohl sich da eigentlich einer drum kümmern sollte. „Das einzig musikalische an der Sitzung war der Eröffnungsgong.“ Überhaupt Musik. „Wir haben dann ja auch eine Landeshymne verabschiedet. Die kennt nur heute keiner mehr“, erzählt Breitenborn belustigt. Dabei habe er doch persönlich als Ausschussvorsitzender Kultur/Medien angeregt, zumindestens dort immer vor Sitzungsbeginn die Hymne zu singen. „Doch ich habe mich nicht durchgesetzt.“

Im Übrigen sei ihm wichtig, hier mal klarzustellen, dass er den Ausschuss Kultur/Medien – interne Bezeichnung Kultur/Mädchen – nicht wegen des hohen Frauenanteils geleitet habe. „Ich kann nichts Erotisches berichten. Das muss unseren Nachfolgern vorbehalten bleiben.“ Vom anwesenden Karl-Heinz Daehre erzählte Breitenborn allerdings die Begebenheit, dass der am ersten Tag als Minister früh um sieben Uhr seine Sekretärin losgeschickt habe, für sie beide Kaffee und Cognac zu besorgen. „Cognac zu so früher Stunde – das hat die Frau dann doch etwas überrascht“, so Breitenborn.

Klaus Töpfer nimmt den Cognac-Ball auf und spielt ihn weiter: „Wir wissen doch alle, dass wichtige Entscheidungen immer zweimal getroffen werden müssen: nüchtern und betrunken.“ Da lachen sie, die Parlamentarier!

Töpfer schlägt dann aber auch etwas nachdenklichere Töne an. Er sieht noch vor sich den Arbeiter in Bitterfeld, der ihm 1991 eine rote Rose geschenkt hat. „Diese Rose bewahre ich getrocknet bis heute auf.“ Er sieht Braunkohle-Landschaften, die wieder Heimat sind und Wildnis. Und Klaus Töpfer erinnert an die geschätzte grüne Umweltpolitikerin Heidrun Heidecke, die im April dieses Jahres gestorben ist. Töpfer sei neidisch auf die Parlamentarier von Sachsen-Anhalt, sagt er zum Schluss. „Wenn man ihnen so zuhört, bedauert man, hier nicht Mitglied gewesen zu sein.“