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Prozess Der Eulenmann ist kein Betrüger

Eulen-Freund Jens Rennecke aus Thale ist kein Betrüger, urteilte das Amtsgericht Quedlinburg. Er ist nur ein schlechter Kreditnehmer.

Von Oliver Schlicht 10.09.2015, 01:01

Quedlinburg l Die fast fünfstündige Verhandlung im Quedlinburger Amtsgericht um einen möglichen 12.000-Euro-Betrug glich einem Kasperle-Theater. Auf dem Höhepunkt der wortreich vorgetragenen Auseinandersetzung erlitt Richterin Antje Schlüter einen kleinen Zusammenbruch. Sie legte den Kopf auf den Richtertisch, schlug die Armen darüber zusammen und wimmerte: „Ich halt das nicht mehr aus!“

Doch der Reihe nach. Der langzeitarbeitslose Wildtierfreund Jens Rennecke ist BILD-Zeitungslesern bekannt, weil er seiner Eule Argus mit Sturzhelm das Fliegen beibringen wollte. Auch das Fernsehen berichtete über den kauzigen Thaler. Davon Kenntnis bekam der Leipziger Straßenbahnfahrer, Ralf B. und seine Ehefrau. „Meine Frau ist sehr von Eulen angetan“, so der Grau-Papagei-Halter im Zeugenstand.

Besagtes Paar war Jens Rennecke derart zugetan, dass sie sich mit ihm im August 2012 auf dem Hexentanzplatz von Thale verabredeten, um ihn zu unterstützen. „Fest steht, es ist Geld geflossen“, so der Staatsanwalt. Unbetritten. 12 000 Euro. Nur zwei Tage nach dem ersten Treffen besorgte sich das Paar in Leipzig einen Sofortkredit. „Als Darlehen für den Aufbau der Rennecke-Wildtier-Foundation“, sagt der Straßenbahnfahrer. Das Geld wurde wenige Tage später an Rennecke ausgezahlt. „Als Schweinegeld, weil er meine Eule Phönix haben wollte“, sagt Rennecke.

Kurz zu Eule Phönix. Die lebte mit Schlüsselbein-Schaden bei Rennecke, wurde ihm dann aber von der Naturschutzbehörde weggenommen und an den Tierpark Hexentanzplatz übergeben. Rennecke wollte sie dort wieder rausholen und ihr Schlüsselbein in Hannover richten lassen. OP-Kosten: 12 000 Euro. Daraus wurde nichts, weil die Naturschutzbehörde Phönix nicht mehr rausrückte.

Als die Frau vom Straßenbahnfahrer davon hörte, brach sie „mit einem Weinkrampf zusammen“, so Rennecke. Sie liebt Eulen. Deshalb erzählte Rennecke dem Paar ein Geheimnis: Eule Argus, die andere Eule aus der BILD-Zeitung, war gar nicht tot, wie überall berichtet. Das habe er erfunden, damit man ihm Argus nicht entzieht.

Nun, so Rennecke, hat der Leipziger plötzlich ein Auge auf Eule Argus geworfen. Anfang September 2012 will Rennecke in seiner Wohnung Ralf B. dann – ohne Zeugen und ohne Quittung – die 12 000 Euro „Darlehen“ wieder zurückgegeben haben. Ralf B. jedenfalls bestreitet die Rückzahlung.

Ende September 2012 hatte die Stadt Thale Rennecke mitgeteilt, dass aus seiner geplanten Wildtierstation auf dem Hexentanzplatz nichts werde, weil die Landesforstverwaltung dafür keinen Bedarf sieht – es gibt schon drei davon. Danach sind Rennecke und Eule Argus drei Monate mit Zelt in den Wald gezogen. Argus sollte ausgewildert werden. Er habe ihr dort sogar eine Partnerin besorgt. Er kann mit Eulen sprechen, sagt er. Und ein Buch hat er im Wald auch geschrieben, wogegen die Naturschutzbehörde aber vorgehen würde. Und er hat ein Lied verfasst, für das sich der Manager von Roxette interessiert.

Der geistige Gesundheitszustand von Rennecke wurde übrigens begutachtet, so die Richterin. Der Mann sei gesund. Doch nun zum Urteil: Staatsanwalt, Verteidiger und Richterin waren am Ende einig, dass das Verhalten von Ralf B., einem wildfremden Menschen 12 000 Euro auszuzahlen, ein nicht nachvollziehbares Verhalten war. Rennecke wiederum habe bei Geldannahme keine falschen Tatsachen behauptet, Betrug aus strafrechtlicher Sicht liege deshalb nicht vor. „Für dieses Verfahren ist es am Ende auch unerheblich, wo diese 12 000 Euro geblieben sind“, so Richterin Schlüter.

In einem Zivilgerichtsverfahren am Landgericht Magdeburg war Rennecke im Juni 2014 zur Rückzahlung von 10 500 Euro verurteilt worden. Der Gerichtsvollzieher hat bislang aber nichts gefunden, wo man in der Wohnung des Wildtier-Behüters einen Kuckuck ankleben kann.