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Emily-Prozess Überraschende Kehrtwende

Im Prozess um den Tod der kleinen Emily aus Bismark hat die Mutter der Angeklagten ihre Tochter entlastet.

Von Wolfgang Biermann 10.09.2015, 23:01

Stendal l Überraschende Wende im Prozess um den Tod der kleinen Emily aus Bismark vor dem Landgericht Stendal: Am Donnerstag rief die Verteidigerin von Emilys der Körperverletzung mit Todesfolge angeklagter Ziehmutter Katja B. nochmals die Mutter ihrer Mandantin in den Zeugenstand. Die 47-Jährige wartete mit einer völlig neuen Version auf. Demnach hätte ihre Tochter ihr gegenüber schon kurz nach der Tat eingeräumt und in Briefen aus der U-Haft bekräftigt, Emily tatsächlich geschüttelt zu haben.

Das Schütteln sei laut Mutter – die Angeklagte selbst schweigt nach wie vor im Prozess – aber aus einer Notsituation heraus geschehen. Ihre Tochter hätte Emily am Morgen des 2. Februar „röchelnd“ und mit „verdrehten Augen“ aufgefunden. Zuvor sei „alles normal“ gewesen. Katja B. soll angeblich eine Herzdruckmassage gemacht und Emily dann „kopfüber geschüttelt“ haben, in der Annahme, das Kind habe etwas verschluckt. Zum Hintergrund: Schütteln hatte ein Neuropathologe im Prozess als Ursache für den Tod des 18 Monate alten Mädchens festgestellt. Offensichtlich verwundert, fragte der Vorsitzende Richter Ulrich Galler die Mutter von Katja B., warum sie das nicht schon in ihrer ersten Vernehmung beim Prozessauftakt am 27. Juli ausgesagt habe. „Ich bin nicht danach gefragt worden“, antwortete die 47-Jährige. Genau das konnte das Gericht ihr aber nachweisen. „Das habe ich wohl verkehrt verstanden. Ich war zu aufgeregt und nervös“, rechtfertigte sich die Mutter.

Ihre Tochter habe ihr den Hergang schon am 2. Februar erzählt. Zu der Zeit kämpften Ärzte im Stendaler Krankenhaus und später in der Universitätsklinik Magdeburg noch um Emilys Leben. Katja B. soll bis zu ihrer Festnahme am 11. Februar ihre Version weiteren Verwandten erzählt haben. Diese will das Gericht nun als Zeugen laden. Zunächst soll am 30. September aber ein Rechtsmediziner zu der Frage gehört werden, ob die Verletzungen von Emily zu dem jetzt ins Spiel gebrachten Hergang plausibel sein können. Die Verteidiger sollen sich Dezember und Januar für mögliche Fortsetzungstermine freihalten, dämpfte Richter Galler Hoffnungen auf ein baldiges Prozessende.