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IBG-Affäre Staatskanzlei widerspricht Prüfern

In der Affäre um die Beteiligungsgesellschaft IBG zeichnet sich Streit zwischen Rechnungshof und Landesregierung ab.

Von Michael Bock 24.09.2015, 01:01

Magdeburg l Auf fast 70 DIN-A4-Seiten versucht Rainer Robra (CDU), Chef der Staatskanzlei, die Vorgänge um die krisengeschüttelte IBG nicht ganz so schlimm erscheinen zu lassen. In einer Stellungnahme zur IBG-Affäre räumt Robra zwar „Versäumnisse“ ein und sagt, Regularien und Strukturen der IBG seien kritisch zu hinterfragen. Doch Anhaltspunkte für ein „kollektives Versagen“ bei der IBG will er nicht erkennen.

Die IBG war 1996 gegründet worden. Über diese Gesellschaft versorgt das Land Betriebe mit Risikokapital. Derzeit befasst sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der IBG. Ende Oktober wird ein Prüfbericht der EU-Korruptionsjäger erwartet.

Der Landesrechnungshof hatte Anfang Juni schwere Verstöße bei der IBG gerügt. Es seien die eigenen Regeln missachtet und Förderbedingungen nicht erfüllt worden. sagte seinerzeit Rechnungshofpräsident Kay Barthel (CDU). Dies sei durch fehlende Kontrollen, Intransparenz, mangelhafte Organisationsstrukturen und nicht vorhandene Sanktionsmöglichkeiten begünstigt worden. Die Prüfer konstatierten ein „kollektives Versagen“ der IBG-Kontrollgremien. Zu diesen zählen vor allem der Beteiligungsausschuss und der Aufsichtsrat. Beiden Gremien gehören auch Vertreter des Wirtschafts- und des Finanzministeriums an.

Barthel sieht nach wie vor „kollektives Versagen“. Ro­bra hingegen spricht lediglich von „individuellen Versäumnissen“. Belegt ist etwa, dass es Beamte verschludert haben, wichtige Informationen weiterzugeben. Als Hauptschuldigen hat Robra den ehemaligen IBG-Manager Dinnies von der Osten ausgemacht. Aber selbst Kritik an diesem formuliert er sehr freundlich, sehr diplomatisch: „Der Sorgfältigste war er nicht.“ Von der Osten machte Geschäfte, indem er heimlich eigenes Geld in Unternehmen steckte, für die er auch öffentliche Beteiligungen auf den Weg brachte.

Barthel formulierte es so: „Wenn man die Lücken im System kennt, kann man relativ komfortabel Entscheidungen treffen – nicht nur zu Gunsten des Landes.“ Und so flossen Fördermillionen in falsche Kanäle. Etwa in die Förderung der ACM Coatings GmbH (ACM), in welche die IBG 2005 eine Million Euro investierte. Allerdings wurden die Förderbedingungen bis heute nicht erfüllt. Der Rechnungshof urteilte: „Die ACM hat zu keinem Zeitpunkt innovative Produkte in Sachsen-Anhalt hergestellt. Ebenso wenig sind Arbeitsplätze vor Ort entstanden – außer dem Geschäftsführerposten.“

Jetzt hat Robra in den Akten den brisanten handschriftlichen Hinweis gefunden – vermutlich von Dinnies von der Osten –, dass es sich beim Sitz der ACM nur um einen „Briefkasten“ handele. Dennoch floss Fördergeld an das scheinbar innovative Unternehmen. Robra sagt, dass in dieser Angelegenheit die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werde.

SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde hat inzwischen die Auflösung der affärengeplagten IBG gefordert. Das kommt überraschend – schließlich hat das Land gerade erst das operative Geschäft der IBG an eine neue Beteiligungsgesellschaft übertragen – die bmp aus Berlin. Der Vertrag läuft bis Ende 2020.

Robra beteuert: „Die IBG ist jetzt in guter Verfassung.“ Allerdings müsse sich künftig ein hauptamtlicher Geschäftsführer um die IBG kümmern. Das Wirtschaftsministerium favorisiert den früheren Präsidenten des Landesrechnungshofs, Ralf Seibicke. „Es sind noch letzte Details zu klären“, hieß es am Mittwoch. Seibicke war von 2003 bis März dieses Jahres Chef der unabhängigen Kontrollbehörde. In dieser Zeit prüfte er die IBG mehrfach. Er kennt das Konstrukt IBG also aus dem Effeff. Unklar ist derzeit, ob der Geschäftsführer-Posten – wie zunächst geplant – zum 1. Oktober besetzt werden kann.