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Buga-Bilanz Havelberg hat gewonnen

Am Sonntag endet die Buga in der Havelregion. Sie hat zwar ein Defizit, aber auch viel Positives bewirkt.

Von Andrea Schröder 09.10.2015, 01:01

Fünf Standorte: Das Ziel dieser Bundesgartenschau, nicht nur eine Stadt, sondern eine ganze Region bekannt zu machen, ist erreicht. Die fünf Standorte Brandenburg, Premnitz, Rathenow, Stölln und Havelberg haben in den 177 Buga-Tagen gut eine Million Besucher angelockt. Das Statistische Bundesamt hat gerade für die Reiseregion Altmark – zu der Havelberg als Wiege der Prignitz durch die Zugehörigkeit zum Landkreis Stendal zählt – das bundesweit zweitbeste Ergebnis bei den Gästeankünften für den Monat Juli ausgewiesen. Die Zahl ist um 21,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat angestiegen. Noch besser schnitt das benachbarte Havelland im Brandenburgischen ab – dort gibt es vier Buga-Standorte. „Die Zahl der Übernachtungen ist in der Altmark im Juli um 15,8 Prozent auf knapp 89 000 gestiegen“, sagt die Chefin des Tourismusverbandes Altmark Mandy Hodum. Im Zeitraum Januar bis Juli hat die Reiseregion Altmark mit einem Zuwachs von 9,5 Prozent bei den Gästeankünften und 8,4 Prozent bei den Übernachtungen landesweit die Nase vorn.

Besucherzahlen: Der Besucherboom spiegelt sich in Havelberg in den touristischen Einrichtungen wider. Für die Touristinfo berichtet deren Leiterin Marina Heinrich: „Für die Buga-Monate von April bis September kann unsere Touristinformation im Vergleich zu den Vorjahren mit 62 943 Touristen eine fast fünffache Steigerung der Besucherzahlen verzeichnen. Vor allem richteten die Gäste ihren Blick nicht nur auf die Bundesgartenschau, sondern auch auf die Hansestadt selbst.

Auch das Prignitz-Museum, das sich in den Räumen der alten Klosteranlage am Dom mitten im Buga-Trubel befindet, hat mit über 50 000 ebenfalls viele Gäste neugierig auf seine Ausstellungen zu Dombau-, Siedlungs- und Stadtgeschichte gemacht. Im Dom, der ebenfalls im Buga-Areal liegt, wurden 275 000 Gäste gezählt. Wenn auch auf die einzelnen Einrichtungen bezogen jeder ein absolutes Plus erfahren hat – solche Zahlen werden vermutlich auch nie wieder erreicht –, so sieht das Buga-Fazit in Sachen Besucherzahlen in den fünf Standorten nicht gut aus. Denn die prognostizierten 1,5 Millionen Besucher wurden nicht erreicht. Nur gut eine Million verkaufte Karten werden es am Ende sein. Die genauen Zahlen gibt der Zweckverband am Sonntag bekannt.

Die fünf Ausrichterorte müssen deshalb voraussichtlich mit einem Defizit von zehn Millionen Euro rechnen. Verschiedene Ursachen werden genannt, unter anderem die beiden schweren Unwetter, die in Rathenow zu zweimal einer Woche Schließzeit der Buga-Areale führten, drei bis vier Wochen enorme Hitze, die die Halbierung der Besucherzahlen nach sich zog, und die Bahnstreiks.

Übernachtungszahlen: Gut gebucht, oftmals ausgebucht waren die Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen. Die erfreuen sich zwar auch sonst in den Sommermonaten eines großen Besucherinteresses, aber jetzt wurden Lücken gefüllt, die manchmal unter der Woche auftraten. „Dieses Mal waren wir schon von der Vorsaison an bis jetzt voll belegt“, erzählt Silvi Peters vom „Hotel am Hafen“. Auch das Restaurant war stets gut besucht. „Wir haben von der Buga profitiert. Das Feedback unserer Gäste ist gut und viele wollen wiederkommen, denn in Havelberg gibt es mehr als die Buga.“

Essen und Trinken: In den Gaststätten war oftmals kein freier Platz mehr zu haben. „Die Buga ist sehr, sehr schön und die Erwartungen wurden erfüllt. Sie war aber auch sehr anstrengend“, findet nicht nur Stefan Gildein vom Bilderbuchcafé. Die Gastwirte hatten sich auf den Boom eingestellt, auch wenn manch Gast einen anderen Eindruck bekam, wenn er keinen Sitzplatz fand oder längere Wartezeiten in Kauf nehmen musste. „Das, was an Besuchern in Havelberg war, war schon das Maximum des Machbaren“, schätzt er ein und mag gar nicht daran denken, was gewesen wäre, wenn die prognostizierten Zahlen eingetroffen wären. Ein großes Kontingent war mit dem Caterer am Buga-Parkplatz zwar vorgehalten, doch konzentrierten sich die meisten Besucher auf das Stadtgebiet bei der Wahl der Restaurants. „Ich befürchte, dass wir manche Besucher vergrault haben und hoffe, dass sie uns künftig ihr Vertrauen wieder schenken“, sagt Stefan Gildein. „Das waren spannende 177 Tage, die wir im Großen und Ganzen gut gemeistert haben“, sagt Kerstin Maslow vom Bilderbuchcafé. Sie hat festgestellt, dass weniger Radtouristen in der Stadt waren. Vielleicht sei das der Tatsache geschuldet, dass diese keine Übernachtungsplätze mehr buchen konnten und auf andere Orte ausgewichen sind.

Werbung: Sie wird von vielen kritisiert. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg bis hin nach Berlin habe diese funktioniert. Doch schon in Niedersachsen lief das ganz schlecht, findet zum Beispiel Frank Ermer, der als Buga-Gästeführer Hunderte Besucher begleitete.

Ticketsystem: Ein weiteres Minus: Zwar war das Angebot, mit einer Eintrittskarte für 20 Euro an fünf Tagen jeden Standort einmal besuchen zu können, sehr günstig. Doch wollte nicht jeder jeden Standort sehen, wie zum Beispiel die Radfahrer auf dem Elberadweg, die nur Havelberg geschafft hätten. Das Miniticket für zwölf Euro pro Standort wurde erst zur Buga-Halbzeit eingeführt.

Kreativität: Die Buga-Höhepunkte in Havelberg waren eindeutig die 16 sehr kreativ und hochwertig gestalteten Blumenhallenschauen in der Stadtkirche. Weitere 16 gab es in der Johanniskirche in Brandenburg. Sakrale Bauten dafür zu nutzen, ist ein Novum in der Geschichte der Bundesgartenschauen. Anziehungspunkt war ebenfalls der Domfriedhof mit der Ausstellung „Grabgestaltung und Denkmal“. Seit Ende August ist der Buga-Skyliner ein Anziehungspunkt. Der mit 81 Metern höchste mobile Aussichtsturm der Welt erfreute zuvor in Brandenburg und Rathenow die Buga-Besucher und erfüllte sein Soll mit 182 000 Gästen weit über den Plan.

Das „Haus der Flüsse“: Das Haus, das die Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe als Informationszentrum in Havelberg errichtet hat, zählt in der Woche täglich bis zu 800 Besucher, an Wochenenden bis zu 1500. Negativ war die späte Eröffnung erst am 13. Juli. Doch überwiegt hier das Positive. Denn diese moderne Einrichtung mit ihren multimedialen Stationen bleibt der Hansestadt erhalten. Außerdem ist eine Industriebrache verschwunden und die Außenanlagen laden zum Spaziergang ein.

Arbeitsplätze: Auch wenn sie befristet sind, so freuten sich doch immerhin 131 Frauen und Männer über Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Jobcenter, Agentur und Arbeitsvermittler arbeiteten zur Vermittlung eng zusammen. Hinzu kamen 103 geförderte Stellen auf dem zweiten Arbeitsmarkt, berichtet Iris Warnstedt, Leiterin des Jobcenters Havelberg. Sie hofft, dass einige Arbeitnehmer auch nach der Buga integriert werden können. Chancen sieht sie etwa im Bereich des Wachschutzes.

Fazit: Das Defizit aufgrund des Besucherminus schmerzt natürlich. Havelbergs Bürgermeister Bernd Poloski (parteilos) rechnet mit 650 000 Euro, die die Hansestadt aufbringen muss, um es auszugleichen. Doch überwiegt der Gewinn, den die Stadt erfahren hat. Allein durch die vielen infrastrukturellen Maßnahmen, um Straßen, Plätze, Stadtkirche und Grünareale zu sanieren und zu gestalten. Rund 15 Millionen Euro flossen als Fördergelder. Wenn die Buga-Zäune nach dem Rückbau der temporären Anlagen bis Ende Dezember verschwunden sind, ist alles wieder so wie vorher nutzbar, nur viel schöner. „Auch die Menschen haben sich ein stückweit verändert“, sagt Poloski. „Die große Beachtung, die die Stadt nicht nur bundesweit, sondern zum Teil auch aus dem Ausland erfahren hat, hat das Selbstwertgefühl der Bürger befördert.“