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Kitas Das Gesetz steht auf der Kippe

Ist das Kinderförderungsgesetz (Kifög) verfassungswidrig oder nicht? Am Dienstag will das Landesverfassungsgericht entscheiden.

18.10.2015, 23:01

Dessau/Magdeburg l Es war eines der wichtigsten Gesetzesvorhaben der schwarz-roten Landesregierung. Schon wenige Monate nach der Wahl im März 2011 stand das neue Kinderförderungsgesetz von CDU und SPD. Ganztagsanspruch für alle Kinder, Entlastung von Mehrkindfamilien, mehr frühkindliche Bildung – diese Verbesserungen hat sich das Land seitdem Hunderte Millionen Euro pro Jahr kosten lassen. Ganz nebenbei wurden die Zuständigkeiten verändert: Waren früher die Gemeinden für die Kitas verantwortlich, sind es nach dem Willen des Landes seit August 2013 die Landkreise. Doch dieses Detail sorgt seit Jahren für Streit.

Sachsen-Anhalts Gemeinden sehen ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung „massiv“ verletzt. 63 Städte und Gemeinden haben deshalb Klage gegen das Gesetz erhoben.

Ihre Argumentation: Den Kommunen dürfen nur Aufgaben weggenommen werden, wenn etwas nicht funktioniert. „Dafür gab es keine Anzeichen“, sagte Johannes Dietlein im Juni vor Gericht. Der Jura-Professor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vertritt die Städte und Gemeinden.

Trotz der verlagerten Zuständigkeit müssten sie die Hälfte der Restkosten tragen, die nicht von Geldern des Landes und der Landkreise gedeckt sind – ohne dabei auf die wirtschaftliche Planung Einfluss nehmen zu können, monieren die Kommunen. Das Gesetz schreibe ihnen zu viel vor und nehme ihnen gleichzeitig wichtige Kompetenzen weg.

Mehr Personal, ein neues Bildungsprogramm, ein Qualitätsmanagement – laut den Gemeinden sind die Pauschalen, die das Land dafür ausreicht, zu gering.

Kalkuliert wurden diese auf einer Betreuungszeit von durchschnittlich acht Stunden. „In vielen Kitas sind die Kinder mehr als neun Stunden da. Das Geld reicht nicht“, kritisiert Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund. Er sieht in dem neuen Gesetz einen Grund dafür, dass sich die Kostenbeiträge der Eltern seit 2013 in einigen Gemeinden verdoppelt haben.

Das Land hält dagegen. „Alles, was wir bestellt haben, bezahlen wir auch. Wir sind zuversichtlich, dass uns das Landesverfassungsgericht in unserer Auffassung bestätigen wird“, heißt es aus dem Sozialministerium.

Die Gemeinden sehen sich durch eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe bestärkt. Dieses hat Ende 2014 festgelegt, dass eine „Hochzonung“ von Aufgaben auf die Kreisebene nicht mit dem Ziel einer Verwaltungsvereinfachung oder Zuständigkeitskonzentration gerechtfertigt werden dürfe.

In diese Richtung argumentierten die Landespolitiker von CDU und SPD, als sie das Gesetz auf den Weg brachten. Die Landkreise seien als örtlicher Träger der Jugendhilfe nach dem Sozialgesetzbuch schon immer zuständig, einheitliche Kita-Standards seien mit der Reform besser umsetzbar, hieß es damals.

Sollte das Landesverfassungsgericht das Gesetz kippen, muss der Landtag nachbessern. Dann wird das Thema in der Prioritätenliste zwangsläufig wieder ganz oben stehen – für die neue Landesregierung nach der Wahl im März 2016.