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Finzelberg-Prozess Tausende Euro und teure Autos

Anklage im Finzelberg-Prozess offenbart erste Details, wie Bestechung abgelaufen sein soll.

28.10.2015, 12:26

Magdeburg l Hohe Bargeldzahlungen und teure Autos für die Einflussnahme auf die Verwaltung – die Staatsanwaltschaft hat ihre Bestechlichkeits-Vorwürfe gegen Lothar Finzelberg mit der Verlesung der Anklageschrift am Mittwoch konkretisiert. Der frühere Landrat des Jerichower Landes soll von den mitangeklagten Unternehmern Edgar E. und Siegfried K. im Müllskandal mindestens 262.000 Euro kassiert haben.

Die Ankläger werfen Finzelberg vor, dafür auf Genehmigungsverfahren zugunsten der Tongrubenbetreiber in Möckern und Vehlitz (Jerichower Land) eingewirkt zu haben. Dort sind zwischen 2005 und 2008 rund 1,3 Millionen Tonnen Hausmüll illegal entsorgt worden.

Punkt für Punkt listete die Staatsanwaltschaft auf, wie dutzende Geldbeträge zwischen 10.000 und 60.000 Euro bar an den Ex-Landrat übergeben worden sein sollen – mal direkt durch den Angeklagten Edgar E., mal über den Genthiner Geschäftsmann Uwe S.

Im Auftrag der Grubenbetreiber soll S. Finzelberg weitere Vorteile eingeräumt haben: Der Ex-Landrat durfte laut Anklage teure Autos (Audi A6 und A8, VW Phaeton) kostenlos nutzen und zum Teil unter Wert erwerben. Der Angeklagte Siegfried K. soll auf das Konto von Finzelbergs Tochter außerdem 5000 Euro gezahlt haben – zeitgleich habe der Landrat seine monatlichen Zahlungen an diese eingestellt, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Finzelberg wird außerdem Steuerhinterziehung (Schaden: 79.000 Euro) vorgeworfen. Zu seiner Zeit als Landrat soll er dem Finanzamt private Fahrten mit dem Dienstwagen unterschlagen und seinen Fahrer angewiesen haben, die Fahrtenbücher zu fälschen.

Die drei Angeklagten wollten sich am Mittwoch nicht zu den Vorwürfen äußern. Ihre Verteidiger beantragten stattdessen die Ablösung von Oberstaatsanwältin Verena Borstel. Diese sei „nicht unbefangen“, erklärte die Verteidigung.

Der Grund: Borstel hatte während ihrer Ermittlungen Uwe S. vernommen. Der Geschäftsmann hat bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass er Finzelberg im Auftrag der Tongrubenbetreiber Umschläge mit Geld zugesteckt habe. Damit wurde S. zum Kronzeugen der Staatsanwaltschaft. Zum Zeitpunkt seiner Vernehmung saß S. wegen mehrerer Delikte (Brandstiftung, Subventionsbetrug) im Gefängnis. Für seine Aussage gegen Finzelberg seien ihm von Borstel Hafterleichterungen in Aussicht gestellt worden, so die Verteidigung.

S. verbüßte insgesamt dreieinhalb Jahre seiner siebenjährigen Gesamtstrafe. Andere Ermittlungsverfahren gegen den Genthiner wurden eingestellt.

Oberstaatsanwältin Borstel soll Mitte November als Zeugin vernommen und zu den Umständen der Vernehmung von Uwe S. befragt werden. „Eine Zeugin kann nicht die Vertreterin der Anklageschrift sein“, kritisierte Verteidiger Nicolas Becker. Um den Fortgang der Verhandlung nicht zu gefährden, verließ Borstel freiwillig den Gerichtssaal am Landgericht Magdeburg. Ob sie dauerhaft nicht an der Verhandlung teilnimmt, muss nun die Staatsanwaltschaft entscheiden.

Lothar Finzelberg war der Ärger über die jahrelangen Ermittlungen am Mittwoch sichtlich anzumerken. Zu den Bestechlichkeitsvorwürfen äußerte er sich nicht – doch ein paar grundsätzliche Bemerkungen wollte er loswerden. „Ich bin froh, dass nach fünfeinhalb Jahren endlich die Möglichkeit besteht, dass die Vorwürfe gegen mich aufgeklärt werden“, so der Ex-Landrat. „Fünfeinhalb Jahre habe ich am Pranger gestanden“, sagte Lothar Finzelberg und suchte dabei Blickkontakt zur Staatsanwaltschaft.

„Im Sommer 2010 hat die Staatsanwaltschaft angekündigt, man hätte eindeutige Beweise, die Anklage würde im Oktober 2010 stehen“, kritisierte er. Tatsächlich seien noch Jahre ins Land gegangen. „Ich bin sehr zuversichtlich und gehe dem Verfahren mit Optimismus entgegen.“

Die Staatsanwaltschaft hatte im März 2014 Anklage erhoben. Nach Informationen der Volksstimme stützt sie sich auf dutzende Zeugenaussagen, überwachte Telefonate und Kontenprüfungen.

Im April war der Bestechlichkeits-Prozess im ersten Anlauf geplatzt, weil die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Magdeburg einen Ersatzrichter nach Auffassung der Verteidigung nicht richtig ausgewählt hatte. Dieser hätte einspringen sollen, wenn einer der drei Berufsrichter ausfällt. Wegen der Rüge der Gerichtsbesetzung wurde das Verfahren damals am ersten Prozesstag ausgesetzt und musste deshalb neu beginnen.

Mit einem schnellen Urteil ist nicht zu rechnen. Das Landgericht hat bis Ende April 2016 mehr als 20 Verhandlungstage anberaumt. Nächste Woche wird der Prozess fortgesetzt.