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Erzieher Ausbildung nur für Heimatverbundene

Nicht Erzieher, sondern „Fachkraft für Kindertagesstätte“ - diese neue Ausbildung hat das Land ins Leben gerufen. Die Azubis finden es gut.

22.11.2015, 23:01

Gardelegen l „Herr Bache, spiel rüber!“, ruft Elias und winkt wild mit dem Arm. Der Fünfjährige läuft sich frei, er steht vor dem Tor. Simon Bache (19) hebt den Kopf, passt zu Elias – doch der Ball verspringt und rutscht ihm über den Schlappen. „Englischer Rasen“ ist das nicht mehr in der Kita „Villa Regenbogen“ im Gardeleger Ortsteil Mieste. Dem Trainingsplatz der Mädchen und Jungen ist anzusehen, dass er häufig benutzt wird. Elias lacht. Er hat sichtlich Spaß beim Fußball. Sein „Trainer“ Simon Bache auch.

Seit August ist der 19-Jährige Teil eines neuen Modellprojektes. Er hat sich gegen den klassischen Erzieher-Ausbildungsweg (siehe Infokasten) entschieden. Der Auszubildende wird sich einmal „Fachkraft für Kindertageseinrichtungen“ nennen. Statt fünf Jahre muss er nur drei Jahre die Schulbank drücken. „Der kürzere Ausbildungsweg war ein echtes Argument“, sagt Simon Bache. Dass sein Abschluss nur in Sachsen-Anhalt anerkannt ist, stört ihn nicht. „Ich habe nicht vor, auszuwandern“, sagt der junge Mann, der in Oebisfelde wohnt. „Und vielleicht gibt es ja später noch die Möglichkeit, eine Weiterbildung zum Erzieher zu machen.“

Montag bis Mittwoch ist Schule, Donnerstag und Freitag geht Simon Bache in die Einrichtung in Mieste. Kita-Leiterin Sandra Herrmann begrüßt diesen Rhythmus. „Theorie und Praxis werden gut verzahnt“, sagt sie. „Wir haben die Hoffnung, dass Simon nach der Ausbildung bei uns bleibt.“

Der Unterricht findet in Stendal statt: Zwölf Schüler, von 17 bis 43 Jahren ist alles dabei. In die Klasse an der Berufsfachschule geht auch Kristin Dankert. Für die 32-Jährige ist das Modellprojekt der ideale Quereinstieg. „Ich hatte schon immer Lust darauf, Erzieherin zu werden“, sagt sie. Doch gepasst hat es bisher nicht. Ein paar Jahre war sie im Ausland. Zuletzt hat sie als Restaurantfachfrau und bei der Post gearbeitet.

Für Kristin Dankert war neben der dreijährigen Ausbildungszeit auch die finanzielle Hilfe entscheidend: Die Stadt Gardelegen vergütet die Ausbildung mit rund 700 Euro (brutto) monatlich. „Das ist eine gute Unterstützung. Ohne dieses Geld hätte ich es mir wahrscheinlich nicht leisten können, die Ausbildung zu machen“, sagt sie. Kristin Dankert hat eine zweijährige Tochter, vor einigen Monaten hat sie ein Haus gekauft – die 32-Jährige fühlt sich in der Altmark wohl. Es stört sie deshalb nicht, dass die Ausbildung nur in Sachsen-Anhalt anerkannt ist.

„Ich fühle mich nicht als Erzieherin zweiter Klasse. Wir haben die gleichen Aufgaben wie die Erzieher“, sagt die Auszubildende, die die Praxiszeit in der Kita „Weidenkätzchen“ im Gardeleger Ortsteil Jävenitz absolviert. Das bestätigt auch Kita-Leiterin Doreen Fehse. „Elterngespräche, die Dokumentation der Entwicklung der Kinder, Gruppenleitung – die Fachkräfte werden das genauso übernehmen“, sagt sie.

Doreen Fehse steht dem Modellprojekt sehr offen gegenüber, weil die Auszubildenden – anders als Erzieher – spezifisch für den Kita-Bereich ausgebildet werden. „Dieser Schwerpunkt auf das Kleinkindalter ist ein Vorteil“, sagt die Leiterin.

Ob es für die „gleichen Aufgaben“ auch einmal das gleiche Geld geben wird, ist heute jedoch noch nicht klar. Im Jahr 2018 wird der erste Jahrgang die Ausbildung beenden. An der Berufsfachschule werden Simon Bache und Kristin Dankert derzeit „kleine Erzieher“ genannt. Linke, Grüne und die Bildungsgewerkschaft GEW hegen die Befürchtung, dass auch das Salär am Ende kleiner ausfallen wird.

Das Kultusministerium erklärt auf Anfrage, dass es dafür nicht zuständig sei. „Die konkrete Eingruppierung und Vergütung ist Angelegenheit der Arbeitgeber“, so eine Sprecherin. Simon Bache hofft, dass die keine Unterschiede machen werden: „In der Schule wurde uns erklärt, dass wir nach der Ausbildung wie Erzieher bezahlt werden.“