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Finzelberg-Prozess Krimineller Kronzeuge

Hunderttausende Euro Bestechungsgeld soll Ex-Landrat Lothar Finzelberg kassiert haben. Doch der Kronzeuge sitzt selbst hinter Gittern.

Von Franziska Ellrich 26.11.2015, 00:01

Magdeburg l Wie glaubwürdig ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft? Darüber diskutieren am Mittwoch die Verteidiger im Bestechlichkeits-Prozess gegen Lothar Finzelberg. Angeklagt sind vor dem Magdeburger Landgericht neben dem ehemaligen Landrat des Jerichower Landes auch zwei Unternehmer, Edgar E. und Siegfried K. Mindestens 260.000 Euro soll Finzelberg von den Geschäftsmännern kassiert haben, um auf die Genehmigungsverfahren für die Tongruben in Möckern und Vehlitz Einfluss zu nehmen. Dort wurden zwischen 2005 und 2008 rund 1,3 Millionen Tonnen Hausmüll illegal entsorgt. Bezeugen wird die Bestechung Uwe S. Dem Geschäftsmann soll im Zuge eines Deals die Hälfte seiner damals anstehenden Haftstrafe von sieben Jahren, unter anderem wegen Brandstiftung und Subventionsbetrug, erlassen worden sein. Der Anklage zufolge will der Kronzeuge nicht nur Geldübergaben zwischen den Beschuldigten beobachtet, sondern auch selbst ausgeführt haben. Fünf Millionen Euro hat sich Uwe S. von den Tongrubenbetreibern für den Kontakt zu Finzelberg auszahlen lassen. Das Urteil wegen Steuerhinterziehung ist in dieser Sache bereits gefällt.

Ganz genau wollen es die fünf Verteidiger gestern von Oberstaatsanwältin Verena Borstel und einem der ermittelnden Kriminalpolizisten wissen. Die Staatsanwältin muss noch einmal in den Zeugenstand. Und räumt ein, dass aktuell wieder Strafanzeige gegen Uwe S. erstattet wurde. Er soll mit einem Magdeburger Unternehmen den Verkauf von Anteilen besprochen haben. Durchgeführt haben den Kauf allerdings Angehörige seiner Familie, nicht er selbst. Doch bezahlt haben sie dafür nicht. Und weil dieses Verfahren noch läuft, gab es keinen Straferlass für Uwe S. „Darauf reagierte er unzufrieden“, erklärt Borstel. Erst vor wenigen Wochen habe Uwe S. sich bei der Oberstaatsanwältin nach so einem Erlass für den Rest seiner auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe erkundigt.

Der Verteidiger vom ehemaligen Tongruben-Gesellschafter Edgar E. konfrontiert die Staatsanwältin mit seinem Beweis für eine weitere Geschäftstätigkeit des Kronzeugen – obwohl ihm seine Bewährungsauflagen eine selbständige Erwerbstätigkeit verbieten. Laut Akte soll Uwe S. während seiner Bewährung in einem Gespräch mit den Kriminalbeamten erwähnt haben, dass er versucht, sein Genthiner Autohaus für rund 20.000 Euro monatlich an Unternehmen zu vermieten.

Die Verteidigung präsentiert einen weiteren Auszug aus dem Polizeiprotokoll: Uwe S. hatte die Beamten über ein Treffen mit einem polizeibekannten Italiener informiert. Zitat Uwe S.: „Er wusste, dass ich mit der Polizei zusammenarbeite.“ War der Kronzeuge ein geheimer Informant der Polizei? Diese Frage steht am Mittwoch immer wieder im Raum.

Der als Zeuge geladene Kriminalbeamte verneint diese Frage. Uwe S. habe sich zwar dazu bereit erklärt umfänglich auszusagen. „Er trägt dem Landeskriminalamt aber keine Informationen zu“, stellt der Beamte klar. Jedoch: Uwe S. erklärte sich in mehreren Verfahren bereit, als Zeuge auszusagen. Bevor Uwe S. kommenden Dienstag, 1. Dezember, im Zeugenstand Platz nimmt, interessierte sich der Vorsitzende Richter Gerhard Köneke für die Struktur der Landkreisverwaltung.

Deswegen war Verwaltungsvorstand Bernd Girke geladen. „Wer hatte die abfallrechtliche Aufsicht über die Verbringung von Müll in die Tongruben?“, wollte Staatsanwältin Borstel wissen. Girkes Antwort: „Das Landesamt für Geologie und Bergwesen.“ Obwohl der Landkreis bereits damals aus rechtlicher Sicht Aufgaben hätte übernehmen müssen, habe man Girke zufolge übereinstimmend mit dem Landesamt diese nicht wahrgenommen.