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Landgericht Rockerkrieg im Tankstellenbistro

Mitglieder zweier Rockerbanden gingen im Sommer 2013 in einem Magdeburger Bistro aufeinander los. Jetzt begann der Prozess.

Von Matthias Fricke 27.11.2015, 00:01

Magdeburg l Höchste Sicherheitsstufe am Magdeburger Landgericht: Polizisten unterstützen Justizbeamte beim Durchsuchen der Zuschauer. Unter anderem Handys und Kameras müssen am Eingang des Saals abgegeben werden.

Grund des Aufwandes: Vor Gericht stehen zwei Mitglieder des Motorradclubs Hells Angels Magdeburg – der 48-jährige Olaf J. und der 33-jährige Matthias K. Letzterer soll Schatzmeister des örtlichen Charters sein und wurde gemeinsam mit seinem Präsidenten sowie einem weiteren Mitglied in dieser Woche bei einer Razzia in einer Rockerbar im Magdeburger Stadtzentrum festgenommen. Das Trio sitzt in Untersuchungshaft. Die drei sollen sich in einem anderen Ermittlungsverfahren wegen eines Messerangriffs am Rande des Oktoberfestes am 3. Oktober dieses Jahres auf dem Magdeburger Messeplatz verantworten. Aus diesem Grund wird K. auch in Handschellen in den Saal geführt.

Er nimmt zwischen seinen beiden Verteidigern Platz. Ihm und seinem Mitangeklagten wirft Staatsanwältin Martina Laue gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung vor. Hauptbeweismittel ist ein Überwachungsvideo der Tankstelle im Süden der Landeshauptstadt.

Und so soll sich alles an jenem 11. Juni 2013 abgespielt haben: Ein 33-jähriger Bandidos-Rocker tankt an jenem Nachmittag sein Fahrzeug. Die Bandidos haben ganz in der Nähe ihr Clubhaus. Ein ehemaliger Tankstellenangestellter erinnert sich: „Die kamen öfter hierher um Kaffee zu trinken.“

Doch dieses Mal trifft das spätere Opfer auf ein Mitglied der Hells Angels. Die Rocker hatten im Januar zuvor angekündigt, sich in Richtung Osten ausweiten zu wollen. In der Tankstelle kommt es zu einem verbalen Streit und einer Rempelei. Der Bandidos-Rocker verlässt die Tankstelle ohne zu bezahlen. Auch der Hells-Angels-Mann verschwindet. Etwa nach zehn Minuten kehren mindestens zwei Bandidos in das Bistro zurück. Sie bestellen sich einen Kaffee und einen Ice-Tee, bezahlen die offene Tankrechnung. Inzwischen zeigt die Uhr der Überwachungskamera in Höhe des Tresens 16.19 Uhr an.

Die Hells Angels kommen auf die beiden von der Kamera erfassten Bandidos zu. Das Opfer trägt ein schwarzes Shirt mit dem bekannten Mexikaner-Hut-Emblem des Motorradclubs auf dem Rücken. Sein Begleiter trägt ein weißes T-Shirt. Dann setzt der Angeklagte Matthias K. zu einem Fußtritt an. Der Mitangeklagte Olaf J. greift sich eine Weinflasche aus dem Regal und trifft damit den Kopf des Bandidos. Der wiederum hat ein Messer und sticht sieben Mal zu. Olaf J. bricht mit Schnittverletzungen zusammen und kriecht davon. Indes tritt der Angeklagte Matthias K. immer wieder auf das nun ebenfalls auf dem Boden liegende Opfer ein. Immer wieder gibt er Sprühstöße aus seinem Pfefferspray ab. Der verletzte Bandidos kann von seinem Begleiter nach hinten in die Toilette gezogen werden. Im Bild sind auch drei erschrockene Gäste zu sehen, die daneben sitzen. Sie flüchten sofort. Im Hintergrund laufen mehrere weitere Hells Angels, bewaffnet mit Messern und Baseballschlägern, durch die Regalreihen. Dann trifft die Polizei ein, neun Männer werden festgenommen. Zunächst stehen auch die Bandidos unter Verdacht. Das Verfahren ist aber eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft erkannte Notwehr bei den Messerstichen an.

Die beiden Angeklagten Hells Angels haben sich bisher nicht geäußert. Ihre Anwälte wollen aber ebenfalls Notwehr als Motiv herausarbeiten.

Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) kam es in den letzten drei Jahren in Sachsen-Anhalt zu neun Schusswaffenanwendungen und 24 gefährlichen Körperverletzungen mit Schlagringen, Messern und Baseballschlägern durch solche Outlaw- (Gesetzlose)-Rockergruppen.

Die Verhandlung wird am 1. Dezember fortgesetzt.