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Dom Halberstadt Zur Kasse, bitte

Zwischen der Kirche und Sachsen-Anhalt ist ein ungewöhnlicher Konflikt entbrannt. Der freie Zugang zum Halberstädter Dom steht in Frage.

Von Hagen Eichler 29.12.2015, 00:01

Halberstadt l Die Baumeister der Gotik errichteten nicht einfach Kirchen: Ihre gewaltigen Bauten verstanden sie als Abglanz Gottes, prächtig und strahlend. Auch heute noch ziehen gotische Kathedralen Hunderttausende Besucher an, der Eintritt ist – wie in Kirchen üblich – in der Regel frei. Die evangelische Kirchengemeinde Halberstadt will nun einen anderen Weg gehen: Sie hat beschlossen, im Dom Eintrittsgeld zu kassieren.

Die Entscheidung des Gemeindekirchenrates fiel bereits im Oktober, wurde bislang allerdings noch nicht verkündet. Mit den zusätzlichen Einnahmen will die Gemeinde ein finanzielles Problem lösen, das bereits seit Jahren drückt.

Ursache ist der Domschatz, eine unermesslich kostbare Sammlung von Antiquitäten. Ihr Kern ist Raubgut aus dem vierten Kreuzzug, in den Jahrhunderten danach trugen die Halberstädter Domherren immer weitere Preziosen zusammen: Gold, Edelsteine, kostbare Teppiche und reichbestickte Gewänder. Seit 2008 wird ein Großteil des Schatzes in einem neuen Anbau präsentiert. Acht Euro kostet das Ticket derzeit, ermäßigt sechs. Weil die Zahl der Besucher jedoch zu niedrig ist, macht das Museum Jahr für Jahr ein Defizit.

„Nach der Eröffnung 2008 waren wir euphorisch, da hatten wir fast 100.000 Besucher“, sagt Dietmar Großmann, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates. Längst ist die Zahl auf jährlich 30.000 Besucher abgebröckelt. Beim Personal und bei den Betriebskosten lasse sich nichts mehr sparen, sagt der 77-Jährige. Ein Defizit von 200.000 Euro sei durch das Museum bereits aufgelaufen.

Für die Kirchengemeinde als Eigentümerin ist der Schatz zu einer Belastung geworden. Seit Jahren grübelt der Gemeindekirchenrat, wie er mehr Besucher anlocken kann. Großmann ist überzeugt, dass viele Touristen das erlesene Museum schlicht nicht finden. „Da stehen immer wieder Leute vor dem Westportal des Doms und fragen wissen nicht, wo sie hinsollen“, ärgert sich der Kirchenälteste. Ein großes Hinweisschild allerdings habe die Gemeinde entfernen müssen: „Das hat uns der Architekt nicht erlaubt, weil es nicht zum Anbau passt.“

Die Idee der gewählten Kirchenvertreter: Wenn die Ticket-Pflicht vom Domschatz auf den gesamten Dom ausgedehnt wird, zahlt tatsächlich jeder Tourist seinen Beitrag und wird dann gezielt zum Museum geleitet.

Allerdings haben die Gemeindevertreter ihre Rechnung ohne den Besitzer gemacht. Denn anders als sonst bei Kirchen üblich, gehört das Gotteshaus der Stiftung Dome und Schlösser in Sachen-Anhalt und damit mittelbar dem Land. Die Stiftung aber hält von einem Kirchen-Eintrittsgeld gar nichts.

„Es widerspricht unserem Verständnis von Kirche, den Besuch eines Gotteshauses zu erschweren“, sagt Stiftungs-Vorstand Christian Philipsen. Er fürchtet einen Domino-Effekt: Wenn in Halberstadt kassiert würde, könnten die Dome in Magdeburg und Havelberg folgen – auch sie sind im Besitz der Stiftung.

Diese hält den Beschluss der Halberstädter Christen auch für rechtswidrig. Entscheidungen im Alleingang seien nach dem Staatskirchenvertrag nicht zulässig, sagt Philipsen.

Die Gemeinde hat ihren Beschluss nun für ein halbes Jahr ausgesetzt. „Wir wollen jetzt nach einer tragfähigen Lösung suchen“, beteuert der Kirchenälteste Großmann. „Alle sind gesprächsbereit und offen für Kompromisse“, heißt es von Philipsen.