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Unternehmer Ein Iraner in Sachsen-Anhalt

Unternehmer Jamshid Yektai hat sich ein Firmenreich aufgebaut. Und hat mit 72 Jahren noch einiges vor.

02.02.2016, 23:01

Magdeburg l Die Tür zum Konferenzraum geht auf, Jam-shid Yektai tritt ein. „Bin ich zu spät?“, fragt er. Höflichkeit ist eine der Tugenden, die der 72-Jährige schätzt. Ebenso Fleiß. Er selbst hat jüngst die Ärmel hochgekrempelt, um das Magdeburger Traditionsunternehmen Vakoma vor der Pleite zu retten. Fleiß hat Yektai aber schon in seiner Jugend an den Tag gelegt.

Der Iraner stammt nicht aus vermögenden Verhältnissen, er lebte einst in einem Dorf auf dem Land. Die nächstgrößere Stadt Isfahan lag so weit weg, dass er sein Abitur zunächst nicht machen konnte, weil er für den Besuch einer weiterführenden Schule hätte umziehen müssen. Dafür war kein Geld da.

Mit zwölf Jahren entschied sich Yektai, seine Familie zu verlassen, um bei der staatlichen Ölgesellschaft im Süden des Landes eine Ausbildung zum Elektromechaniker zu machen. „Ich war arm, aber ich war besonders begabt“, erzählt er. Parallel zur Ausbildung habe er in einer Abendschule sein Abitur nachgemacht.

„Schon damals erzählte man sich Großartiges über Deutschland. Und weil ich gerne studieren wollte, bin ich ausgewandert.“ Das war 1965, im Iran hätte er zu der Zeit als einfacher Mann vom Land keinen Studienplatz erhalten. „In Deutschland habe ich relativ schnell Deutsch gelernt – ich wusste, dass ich keine Zukunft hier haben würde, wenn ich nicht die Sprache beherrsche.“

Es folgt für ihn ein enormes Lernpensum, zunächst besteht er an der Fachhochschule Ulm eine Aufnahmeprüfung für Ausländer – als Einziger seines Jahrgangs, wie Yektai betont. Er studiert Maschinenbau, wechselt an die Technische Universität in München und macht dort seinen Diplom-Ingenieur Elek­trotechnik.

So mancher hätte sicher erst einmal genug. Yektai jedoch nicht. Er geht zu Siemens, studiert parallel aber noch Betriebswirtschaft und Management. Drei Jahre später wechselt er nach Bonn, um zu promovieren.

Mit seinem Lebenslauf kann Yektai beim Krupp-Konzern überzeugen, er wird als Sachbearbeiter eingestellt und steigt innerhalb von fünf Jahren zum Direktor auf, die Stelle ist in der Hierarchie zu der Zeit unterhalb des Vorstands angesiedelt. „Mir wurde nichts geschenkt, ich habe immer geliefert“, sagt Yektai rückblickend. Zehn Jahre arbeitet er für den deutschen Konzern, bis sich neue Perspektiven für ihn abzeichnen.

Kurz vor der Wende will der Krupp-Konzern ein kleines Unternehmen in Hofgeismar in Nordhessen verkaufen, das er nur wenige Jahre davor erworben hatte. Yektai sieht darin die Chance, sich selbständig zu machen. „Ich habe mein gesamtes Erspartes, etwa 500 000 Mark, auf den Tisch gelegt und mit Hilfe eines Kredites der örtlichen Sparkasse den Betrieb mit 30 Mitarbeitern aufgekauft.“

Yektai wird Unternehmer, er legt mit der Siebenhaar Antriebstechnik GmbH den Grundstein für seine spätere Firmengruppe. Der Iraner lässt fortan kleine und mittlere Getriebe für Spezialschiffe und Windkraftanlagen produzieren, die Getriebe kommen auch in der Bahntechnik und im Tagebau zum Einsatz.

2002 wagt Yektai erstmals den Sprung nach Sachsen-Anhalt, er kauft die Eisengießerei in Tangerhütte, bei der er zuvor bereits Kunde war. Mehr als 20 Millionen Euro investiert er, um das Werk wettbewerbsfähig zu machen. Fünf Jahre später nimmt er ein weiteres Investment in Angriff, baut die Getriebetechnik Magdeburg GmbH in Barleben auf. „Das war ein Boomjahr – alles platzte aus den Nähten und jeder wollte 30, 40 oder 100 Prozent wachsen“, erzählt Yektai. „Es sah danach aus, als würde es keine Wachstumsgrenzen geben.“

Es gab jedoch einen weiteren Grund für die Investition. Bei Siebenhaar in Hessen reichten die Produktionskapazitäten nicht mehr. „Die Kunden wollten bei mir Großgetriebe bestellen, die ich aber nicht liefern konnte, deshalb habe ich einen weiteren Standort mit Barleben aufgemacht.“ Und für den Standort in Sachsen-Anhalt sprach für Yektai damals schon der Ruf. „Von Otto von Guericke und den Magdeburger Halbkugeln hatte ich schon zu Schulzeiten im Iran gehört, ich wusste, welche Techniktradition das Land hat.“

2012 folgte der nächste große Schritt: Yektai kaufte die Werke der insolventen AD Industry Group in Dessau, darunter ein Getriebetechnikwerk, eine Gießerei und eine Schmiede. Heute sind die Werke in unterschiedliche Firmen unterteilt, lassen sich Yektai zufolge aber nicht trennen.

Sein jüngster Coup gelang ihm nun im vergangenen Jahr mit dem Kauf des Anlagenbauers Vakoma. „Ich habe es sehr bedauert, dass Vakoma in die Insolvenz kam“, erzählt er. „Es ist eigentlich eine nagelneue Firma. Nur sie hatte eben hauptsächlich auf Osteuropa gesetzt und ist deshalb im Zuge der Russlandkrise in Schwierigkeiten gekommen. Das Unternehmen passt aber voll und ganz in unsere Struktur.“

Tatsächlich liegt hinter den Gründungen und Käufen eine Grundidee, die Yektai auch mit seinen 72 Jahren umtreibt. Er will den Getriebebau in Sachsen-Anhalt zum Global Player entwickeln. „Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen, aber wir haben alle Voraussetzungen, an der Weltspitze nicht nur mitzumischen, sondern Pionier zu sein“, sagt er. Allein seine Firmengruppe beschäftigt inzwischen mehr als 400 Mitarbeiter.

Und Vakoma, seinem jüngsten Erwerb, traut er zu, kurzfristig von 30 auf 100 Mitarbeiter anzuwachsen. Er selbst will diesen Prozess aus der Ferne verfolgen. „Alle Firmen haben eine hervorragende Geschäftsführung und arbeiten selbständig. Aber sie agieren strategisch zentral. Dadurch haben wir Flexibilität, können kostengünstig produzieren und Qualität Made in Germany liefern. Für Märkte auf der ganzen Welt.“

Trotzdem will es sich Yektai nicht nehmen lassen, auch künftig mitzumischen. „Wer rastet, der rostet“, sagt er. „Als Menschen müssen wir etwas Bleibendes schaffen, für die, die nach uns kommen. Und damit meine ich wirklich nicht nur meine eigenen Kinder.“

Auf seinem Weg musste Yektai dabei auch Rückschläge verkraften. 2015 meldete Technoguss in Tangerhütte Insolvenz an, die Pleite eines Großkunden hatte das Unternehmen schwer getroffen. „Ich musste von der Insolvenz aus der Zeitung erfahren. Aber das Thema ist für mich abgeschlossen“, sagt er dazu. Yektai schaut lieber nach vorne, etwa auf die Perspektiven, die sich im Iran auftun. „Ich freue mich über das Ende der Wirtschaftssanktionen. Das ist sowohl für den Iran als auch für Deutschland gut.“ Er wolle in nächster Zeit alles dafür tun, dass die Unternehmen in Sachsen-Anhalt von der Markt-öffnung profitieren.

Geschätzt wird Yektai auch von der Landesregierung. 2006 hat ihn der damalige Regierungschef Wolfgang Böhmer in den Wirtschaftsbeirat berufen, bis heute ist er ein gefragter Ratgeber, heißt es aus Regierungskreisen. Obwohl sich vieles im Leben von Jamshid Yektai in Sachsen-Anhalt abspielt, pflegt er sein Privatleben mit Frau, einer Tochter und zwei Söhnen in Hessen. „Ich fühle mich Sachsen-Anhalt aber sehr verbunden. Ich schätze vor allem die Menschen, aber auch die großartige Natur- und Kulturlandschaft.“