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Flüchtlinge Warten auf den Deutschkurs

Schnelle Deutschkurse gibt es in Sachsen-Anhalt für Flüchtlinge mit sehr guten Bleibechancen, nicht aber für die vielen Afghanen.

04.02.2016, 23:01

Magdeburg/Stendal l „Viele Leute waren verärgert und enttäuscht”, sagte Mohammad Sadeq Nawabi vom afghanischen Verein der islamischen Gemeinde Magdeburg. „Sie wollen nicht nur herumsitzen.“ Anders als Syrer, Eritreer, Iraker und Iraner können Afghanen nicht an der schnelleren Sprachförderung der Agentur für Arbeit teilnehmen, die es seit Oktober gibt.

Die vier geförderten Nationalitäten können bereits nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland einen Integrationskurs beginnen, anstatt bis zum Ende des Asylverfahrens zu warten. Die Agentur für Arbeit finanziert den sechsmonatigen Sprachkurs und verpflichtet alle Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben, zur Teilnahme. Außerdem stellt die Behörde bis Ende Februar einmalig 121 Millionen Euro für achtwöchige Vollzeit-Sprachkurse bereit – ebenfalls nur für Syrer, Eritreer, Iraker und Iraner.

„Eine feste Grundlage für die Förderung sind für uns die guten Bleibechancen“, sagte Jana Echternach, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Magdeburg. Alle vier Nationalitäten mit Sonderrechten haben in Deutschland eine Bleibechance von mehr als 80 Prozent. Dagegen wird nur die Hälfte der Asylanträge, die von Afghanen gestellt werden, angenommen. Weil 50 Prozent nach Afghanistan zurückkehren sollen, gibt es Sprachförderung nur mit positivem Asylbescheid.

Mit 1359 gestellten Asylanträgen waren Afghanen in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr die drittgrößte Flüchtlingsgruppe. Weil ihre Verfahren nicht beschleunigt sind, dauern sie durchschnittlich eineinhalb Jahre. Im Zweifel müssen die Betroffenen so lange auf die Teilnahme an einem Integrationskurs warten. Die Bundesregierung möchte Afghanen vermehrt abschieben, führt aber noch keine Verhandlungen über ein Rückführungsabkommen.

Gudrun Träger von der Deutschen Angestellten-Akademie in Magdeburg musste viele Afghanen für Vollzeitkurse der Agentur für Arbeit abweisen. „Viele sind wegen der Kurse direkt zu uns ins Büro gekommen und wollten sich anmelden“, sagte Träger. „Es tut mir sehr leid, dass wir nichts für sie tun können.”

Um die Zeit zu überbrücken, würden seine Landsleute auf die ehrenamtlich organisierten Kurse von Awo und Caritas zurückgreifen, sagte Nawabi. Generell stehen diese Sprachkurse allen Nationalitäten offen. Freie Plätze sind zurzeit bei der Caritas verfügbar.

„Was wir machen, ist aber nur eine Notlösung“, sagte Nguyen Tien Duc, Leiter des interkulturellen Zentrums der Caritas Magdeburg. Einmal die Woche Unterricht mit Ehrenamtlichen reiche nicht zum Deutschlernen.

Wegen der beschleunigten Sprachförderung sind Integrationskurse im Land zurzeit gut ausgebucht. Die Wartezeit für die Kurse beträgt zwei bis drei Monate. Vertreter von Sprachschulen in Sachsen-Anhalt sagten, dass sich viele neue Anbieter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zertifizieren lassen.

In Magdeburg soll es bald fünf statt bisher drei Anbieter von Integrationskursen geben, so die Agentur für Arbeit. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres nahmen in Sachsen-Anhalt 750 Ausländer an Integrationskursen teil, darunter 325 Frauen.

Nicht alle Flüchtlinge würden zusätzliche Sprachkurs-Angebote annehmen, sagte Joanna Sannemann von der Volkshochschule Stendal. Dort kam der Vollzeitkurs, den die Agentur für Arbeit gefördert hätte, nicht zustande. Anders als ehrenamtliche Kurse erlaubt der Vollzeitunterricht der Volkshochschule keine freien Freitage für den Moscheebesuch. Auch die Anreise hätten die Flüchtlinge aus Stadt und Landkreis selbst bewältigen müssen. „Wenn man die Leute zu sehr in Watte packt, dann hilft man ihnen nur kurzfristig“, sagte Sannemann. „Man muss erklären, was hier von den Menschen verlangt wird. Ein zukünftiger Arbeitgeber würde die gleichen Anforderungen stellen.“

Sannemann sieht Bedarf für einen weiteren Kursanbieter in Stendal. Interessenten gäbe es bereits. Bis jetzt war die Volkshochschule der einzige Anbieter im Kreis. Sannemann sagte, dass mehr Kurse im ländlichen Raum Wartezeiten nicht verkürzen. Kurse müssten zwangsläufig an zentralen Orten angeboten werden. „Gibt es zu viele Anbieter, dauert es auch länger, bis sich Kurse füllen.“