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Zwickmühle 20 Jahre "volkseigenes Kabarett"

Hans-Günther Pölitz und sein Kabarett sind am 29. Februar 1996 in Magdeburg auf die Bühne getreten. Die Zwickmühle ist 20 Jahre alt.

Von Grit Warnat 17.02.2016, 00:01

Herr Pölitz, den 29. Februar gibt es nur alle vier Jahre. Sie feiern nicht gern?

Das Datum erspart viel Aufwand und noch mehr Trubel. Vor allem wollen wir keine Jubelfeier.

Den Geburtstag begehen Sie aber mit einem Programm, das Jubel und Trubel im Titel trägt. Ist Ihnen danach zumute?

Die Wirklichkeit steht im Programmtitel auch mit drin. Sie überdeckt den Jubel und den Trubel. In Wirklichkeit haben wir Grund für ein neues politisch-satirisches Programm. Es ist wichtiger denn je, dass wir uns auf der Kabarettbühne zu dem äußern, was draußen passiert. Denn es geht ein Gespenst um in Europa, das Gespenst der Flüchtlinge. Da müssen wir unsere Meinung äußern.

Das Thema Flüchtlinge hat schon ihr jüngstes Programm „Meins, wie es sinkt und kracht“ stark beherrscht.

Ja, aber wir versuchen, es von einer anderen Seite aufzuziehen. Wir blicken auf die abstruse Situation der Pegida in Dresden, dass vor der Hochkultur Semperoper unglaubliche Hetze betrieben wird. Wenn ein Akif Perincci dort sagt, dass die KZ jetzt leider außer Betrieb sind, muss auch der besorgte Bürger gemerkt haben, in welche Richtung das Ganze läuft. Wir arbeiten das künstlerisch in einer Oper auf. Wir bringen das Pegida-Gedankengut mit der deutschen Kultur in Verbindung.

An welche Oper denken Sie denn?

Die frustigen Weiber von Windsor. Es geht um menschenfeindliches Gedankengut, das auf ein Volk der Dichter und Denker trifft, das heute ein Volk von Wichten und Stänkern ist. Diese Reibungsfläche wollen wir austesten.

Angesichts von Hetze und verbalen Angriffen innerhalb unserer Gesellschaft: Müssen Sie heute mutiger sein als noch vor Jahren?

Die Kunst muss den Mut haben, sich einzumischen und nicht irgendwelchen Meinungsumfragen hinterherzuhecheln. Das war schon immer so.

Aber inwieweit hat sich Ihre Arbeit verändert?

Die Themen sind existenzieller geworden. Es gibt im Land nicht nur die Angst vor Überfremdung, sondern die Sorge, dass den Menschen etwas weggenommen wird. Da versagt die Politik eklatant. Und dann muss auch noch die Bundeswehr in jedem Konflikt dabeisein. Wissen Sie, ich hätte nie gedacht, dass ich mich in meiner Schaffenszeit noch einmal mit Krieg auseinandersetzen muss.

Deshalb ist es doch sicher schwieriger geworden, die Leute mit einem Lachen nach Hause zu schicken?

Das ist wirklich ein großer Spagat. Der Zuschauer soll bei uns Spaß haben. Das ist ja die Kunst, trotzdem zu sagen, was auf uns zukommt und welche Parallelen es gibt mit Blick auf den hundertjährigen Kalender.

Sie haben 1996 mit der „Zwickmühle“ das erste private Kabarett in Sachsen-Anhalt gegründet. Was hat Sie damals zu diesem Schritt bewogen?

Während meiner Zeit in München bei der „Lach- und Schießgesellschaft“ las ich ein Ranking von deutschen Städten hinsichtlich der kulturellen Strukturen. Da war Magdeburg auf Platz 3. Von hinten. Das spornt an. Meinen Grabstein wollte ich ohnehin nicht nach München mitnehmen. Ich hatte nach zwei Jahren bei der Lach- und Schießgesellschaft beschlossen, München muss nicht sein, Magdeburg schon. Hier kannten mich die Leute. Der Segelflieger würde von einem Aufwind sprechen.

War die Entscheidung für Magdeburg aus heutiger Sicht richtig?

Ja. Wir haben hier ein Publikum, das uns die 20 Jahre getragen hat und durch das Eintrittsgeld unser Überleben ermöglichte. Insofern sind wir ein volkseigenes Kabarett. Weil wir nur von dem existieren, was das Volk in uns investiert.

Ihre Programme mit Marion Bach haben eine 100-prozentige Auslastung. Das Geheimnis dieses Erfolges? 

Wir konnten erfreulicherweise die Tendenz fortsetzen, für die wir mit ihren Vorgängern Michael Rümmler und Lothar Bölck den Grundstein gelegt haben. Wir verstecken uns nicht hinter Rollen, wir themtisieren das, was uns auf der Seele brennt. Das Publikum merkt, dass Leute auf der Bühne stehen, die das denken, was sie sagen, und das sagen, was sie denken. Diese Ehrlichkeit wissen die Leute zu schätzen.

Sie hatten in all den Jahren einige Kabarettisten an Ihrer Seite. Marion Bach ist im 11. Jahr dabei. Die Zwickmühle ist nicht mehr nur Hans-Günther Pölitz.

Das war sie noch nie, denn ohne all die engagierten und hier nicht genannten Mitarbeiter vor, auf und hinter der Bühne wären es keine erfolgreichen 20 Jahre geworden. Marion ist dabei nicht mehr wegzudenken. Sie fing an, als Angela Merkel Kanzlerin wurde. Frauen spielten in der Politik wieder eine andere Rolle, als das bis dato war. Wir fanden es interessant, dass sich eine Frau auf der Bühne über politische Ereignisse äußern sollte. Das ist im Kabaratt nicht allzu häufig. Die meisten Frauen sind in der Comedy. Das war ein Vorbehalt, der ihr am Anfang entgegengeschlagen ist, aber Marion ist eine Kämpfernatur. Sie wollte Kabarettistin werden und hat dafür hart, vor allem mit meiner Frau als Regisseurin, an sich und mit uns gearbeitet. Auch beim Programm mit Heike Ronniger haben manche nur an ein seichtes Frauenprogramm gedacht. Dass auch Frauen sich zur Politik äußern können, nehmen die Zuschauer mit Erstaunen zur Kenntnis.

Sie schreiben äußerst erfolgreiche Programme. Wie groß ist der Druck, wieder eins draufsetzen zu müssen?

Das ist nicht nur Druck, das ist auch Angst. Je erfolgreicher ein Vorgängerprogramm war, desto größer ist die Frage, was sollst du als nächstes bringen. Wenn die Latte oben hängt, versucht man nicht, den Limbo untendurch zu machen. Das zehrt an der Substanz.

Die Zwickmühle hat nur alle vier Jahre Geburtstag. Wagen Sie bitte einen Blick nach vorn.

Da wage ich nur eine Prognose: Wo „Zwickmühle draufsteht, wird auch weiterhin politisch-satirisches Kabarett drin sein. Wenn es uns gelingt, dass die Zuschauer Spaß bei uns haben und nicht merken, wie viel Arbeit investiert wurde, dann sind wir glücklich. Wir wollen Kabarett als die Weiterführung der Politik mit fröhlichen Mitteln.