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Hochwasserschutz Riesen-Wanne für die Altmark

Bis 2020 soll der Bau von 23 Hochwasserschutzanlagen in Sachsen-Anhalt angeschoben werden. Der größte Polder entsteht bei Tangermünde.

Von Jens Schmidt 24.02.2016, 00:01

Magdeburg l Eigentlich hatten die Hochwasserfachleute bei Tangermünde eine riesige Überflutungswiese vorgesehen - mit einer Kaskade von unterschiedlich hohen Deichen. Je nachdem, wie stark ein Hochwasser ausfallen würde, wären die Areale dann überschwemmt worden. Der Nachteil: Bei jeder auch nur mäßig starken Flut würden die Wiesen und Äcker nass. Im Schnitt alle zehn Jahre. „Jetzt haben wir uns doch für einen Polder entschieden“, sagt Burkhard Henning, Chef des Landeshochwasserschutzbetriebes (LHW). Dazu werden 47 Quadratkilometer eingedeicht. Es entsteht eine Art Wanne (Kosten ca. 12 Millionen Euro). Die wird nur bei extremen Fluten geöffnet, kurz vor Eintreffen der höchsten Welle. Der Vorteil: So wird der Wasserspiegel erheblich gesenkt - - um bis zu 30 Zentimeter. Das kann für die nachfolgenden Gemeinden in der heikelsten Phase einer Flut lebensrettend sein. Und es gibt einen weiteren Vorteil: Die Wiesen werden im statistischen Mittel nur alle 100 bis 200 Jahre nass. Rein rechnerisch.

Dass Extremfluten auch mal öfter anrollen können, hat die jüngste Geschichte gezeigt. 2002 und 2013 richteten zwei Jahrhunderthochwasser enorme Schäden an.

Daher hat die Landesregierung einen neuen Bauplan zum Hochwasserschutz beschlossen. In den nächsten Jahren sollen an Elbe, Mulde und Saale neue Überschwemmungsflächen entstehen. Geplant sind der Bau von Poldern, zudem sollen Deiche ins Landesinnere verlegt werden. „So bekommen die Flüsse wieder mehr Platz“, sagt Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU), der den Plan gestern vorstellte. In einem ersten Schritt sind 106 Quadratkilometer Flutfläche vorgesehen.

Das klingt viel, relativiert sich aber beim Vergleich mit den Naturgewalten: Nach dem Deichbruch bei Fischbeck im Juni 2013 flutete die Elbe ein Areal von 150 Quadratkilometern. Die Saale nahm sich bei Breitenhagen 80 Quadratkilometer, nachdem der Wall gebrochen war.

Seit der Flut 2002 wurden 60 Prozent der Deiche saniert. Nach der Flut 2013 wuchs der Druck auf die Politik, nicht nur Deich zu erhöhen, sondern zudem den Flüssen wieder mehr Ausbreitungsfläche zurückzugeben. 2014 legte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) eine Studie mit potenziellen Standorten für Polder und Überflutungsflächen vor. Alle Projekte wurden dann auf Wirksamkeit und Kosten überprüft und mit den betroffenen Gemeinden diskutiert. Daraufhin wurden die Vorhaben in drei Dringlichkeitsstufen aufgeteilt, einige Ideen wurden gestrichen.

Die effektivsten Projekte (Priorität 1) sollen bis 2020 angeschoben werden. Gesamtkosten: 320 Millionen Euro. Der größere Teil ist durch Bundes- und EU-Mittel abgesichert. Allerdings muss auch das Land weiterhin in die eigene Tasche fassen. Einige Vorhaben davon auch schon angefangen. Dazu gehört der Polder Rösa, der bis 2020 fertig sein soll. Der ursprünglich bei Zielitz ins Auge gefasste Polder wurde verworfen, da der Effekt zu gering gewesen wäre.

Eine andere Variante des Hochwasserschutzes heißt: Deichrückverlegung. Dazu wird ein neuer Wall, der deutlich weiter weg vom Fluss liegt als der alte Deich. Vorteil: Bei Hochwasser kann der Fluss sich mehr ausbreiten, der Scheitel sinkt und die Natur der Flussaue profitiert. Nachteil: Seine Wirkung ist nicht so groß wie bei einem Polder. Die Fläche wird auch bei kleineren Hochwassern nass und ist daher eingeschränkt nutzbar.

Weit gediehen ist die Rückverlegung am Lödderitzer Forst (Elbe), wo bis 2019 eine sechs Quadratkilometer große Überflutungsfläche entsteht. Drei weitere Rückverlegungen wurden in den vergangenen beiden Jahren gestartet. 2017 soll der neue Deich Sandau-Nord an der Elbe fertig sein.

Um Landwirte zu entschädigen, will Aeikens ihnen Geld oder Austausch-Äcker anbieten. Das werden auch Flächen sein, die noch in Bundesbesitz sind. Das Land verhandelt schon mit Berlin.