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Im Gespräch Knöchel: „AfD gegen alles,was wir wollen“

Kontrolle der Regierung und harte Auseinandersetzung mit der AfD - diesen Spagat fordert der neue Linken-Fraktionschef Swen Knöchel.

28.03.2016, 23:01

Die Fragen stellte Volksstimme-Reporter Christopher Kissmann.

Volksstimme: Herr Knöchel, Die Linke hat gegenüber 2011 50 000 Stimmen verloren. Welche Fehler hat Ihre Partei im Wahlkampf gemacht?

Swen Knöchel: Das Wahlergebnis hat viele von uns sehr nachdenklich gemacht. Aber die Ursachen dafür liegen im gesamtgesellschaftlichen Diskurs, nicht in einem spezifisch sachsen-anhaltischen Problem. Seit dem Jahr 2004 hat sich unsere Gesellschaft stark verändert, die Hartz-Gesetze haben die Koordinaten in Deutschland verschoben. Sie haben einen Entsolidarisierungsprozess in der Gesellschaft bewirkt. Dazu kommt, dass politische Diskurse oft dadurch ersetzt worden sind, dass eine Kanzlerin „Basta“ gesagt hat oder Dinge als „alternativlos“ hingestellt wurden. Nichts ist alternativlos – politische Alternativen wurden nur nicht zur Diskussion gestellt. Da müssen wir wieder ansetzen.

Die Linke ist im Wahlkampf bei ihrer Haltung, Flüchtlinge bedingungslos aufzunehmen, geblieben. Bedauern Sie das heute?

Nein. Wir stehen für Weltoffenheit und uneingeschränkte Solidarität. Wir halten eine Gesellschaft, die sich über Abgrenzung definiert, nicht für entwicklungsfähig. Das unterscheidet uns von anderen Parteien. Die Linke ist eine Programmpartei, wir agieren mit festen Standpunkten, die wir für richtig halten. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir unsere Haltung in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen können – nicht, wie wir davon abrücken.

Ein linkes Bündnis, Rot-Rot-Grün, hat bei der Wahl keine Mehrheit bekommen. Sind diese Gedankenspiele angesichts durch das Erstarken der AfD vorerst vorbei?

Die Wahl hat deutlich gezeigt, dass das von uns angestrebte Bündnis mit SPD und Grünen nicht mehrheitsfähig war. Das lag zum Teil an uns, aber auch an unseren potenziellen Partnern. Wir haben dennoch einen Auftrag: Unsere Wähler erwarten, dass wir für unsere Inhalte stehen. Wir haben Erfahrung darin, aus einer Minderheitenposition heraus zu agieren. Als die Linke den Mindestlohn 2002 erstmals in die politische Debatte gebracht hat, war das eine Minderheitenposition. Heute ist er – zwar nicht in der Form, wie wir uns ihn vorgestellt haben, nämlich armutsfest zu sein – gesellschaftliche Realität geworden. In der Minderheit zu sein, ist manchmal hart. Aber wir wollen das nicht kultivieren, sondern für Mehrheiten werben.

Jeder dritte Arbeitslose hat die AfD gewählt. Bricht Ihnen da gerade dauerhaft ein Teil Ihrer Wähler weg?

Das sehe ich nicht. Die große Mehrheit der AfD-Wähler traut der Partei laut Umfragen nicht zu, Lösungen für Probleme zu finden. Uns als Linken muss es gelingen, den gesellschaftlichen Diskurs wieder auf die grundsätzlichen Fragen zurückzuführen: nicht Flüchtlinge gegen Arbeitslose, sondern die Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter auseinandergeht. Darin liegt die Ursache für die großen gesellschaftlichen Probleme.

Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung zu kontrollieren. Wird Ihre Fraktion dafür mit der AfD zusammenarbeiten?

Betrachten wir doch einmal die AfD-Programmatik. Die AfD ist gegen alles, was wir wollen: eine solidarische Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit, Ausgleich zwischen allen Menschen. Wir werden im Parlament die Auseinandersetzung mit der AfD suchen und sie thematisch stellen.

Die größte Oppositionspartei übernimmt in der Regel den Vorsitz im mächtigen Finanzausschuss. Bisher haben Sie diesen angeführt – künftig ist das wohl Sache der AfD. Fürchten Sie eine Kräfteverschiebung im Parlament?

Die Frage der Ausschussverteilung stellt sich im Moment noch nicht. Richtig ist: Der Finanzausschuss hat inzwischen eine zwölfjährige Tradition mit einem Linken-Vorsitzenden. Die Landesregierung hatte dort stets einen schweren Stand. Selten hat eine Vorlage den Ausschuss so verlassen, wie sie hereingekommen ist – wir haben sachorientiert gearbeitet. Wir erwarten, dass das so fortgesetzt wird.

Was halten Sie von einer möglichen schwarz-rot-grünen Landesregierung?

Wenn man sich anschaut, wofür CDU, SPD und Grüne stehen, ist klar, dass das ein äußerst schwieriges Bündnis wird. Da müssen wir als Opposition anknüpfen. Eine Regierung, die sich im Wesentlichen aus Kompromissen zusammensetzt, wird es schwer haben, das Land zu steuern. Aber genau darauf kommt es an. Sobald der Koalitionsvertrag vorliegt, werden wir Gegenvorschläge präsentieren. Unser Wahlprogramm hat nichts an Aktualität verloren.

In Sachen Attacke war Ihr Vorgänger Wulf Gallert immer ein Vorreiter, seine Fußstapfen sind groß. Wie gehen Sie damit um?

Wulf Gallert hat die Fraktion 22 Jahre lang an mehreren Stellen mit geprägt, er war zwölf Jahre lang Fraktionsvorsitzender. Es ist klar, dass das nicht einfach wird. Ich möchte nicht mit ihm verglichen werden, wir haben unterschiedliche Stile. Und ganz unerfahren bin ich nun auch nicht, immerhin war ich acht Jahre lang Stadtvorsitzender meiner Partei in Halle. Unsere Aufgabe als Fraktion ist es, linke Politik zu transportieren. Das hat Wulf Gallert über lange Zeit getan – und das werden wir auch mit einer anderen Person an der Spitze fortsetzen.

Gregor Gysi hat ein Bündnis von CDU und Linke ins Spiel gebracht. Stünden Sie dafür zur Verfügung, falls sich in Sachsen-Anhalt CDU, SPD und Grüne nicht einigen?

Da muss man auf den genauen Wortlaut achten. Gysi hat gesagt, die CDU müsse sich ein Stück bewegen. Wenn er sagt, „ein Stück“, und ich mir die politische Wirklichkeit in Sachsen-Anhalt anschaue, muss ich feststellen: Die CDU müsste sich dafür nicht nur ein Stück bewegen, sondern eine ganze halbe Welt.