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Karriere Vom Top-Manager zum Tofu-Boss

Jan Bredack, gebürtiger Altmärker, betreibt Deutschlands einzige vegane Supermarktkette. Sein Karriereweg ist außergewöhnlich.

Von Elisa Sowieja 15.04.2016, 01:01

Berlin/Salzwedel l Durchschnitt ist nicht sein Ding. Sonst hätte es Jan Bredack nicht vom Autoschrauber zum Top-Manager gebracht. Hätte diesen Luxusjob nicht wieder aufgegeben, um beruflich von vorn zu beginnen. Würde nicht zu dem mickrigen Prozent der Deutschen zählen, die sich vegan ernähren. Und: Ihm wäre wohl der Nachname seiner Pressesprecherin geläufig.

Angesprochen auf Frau Valdés, die freundliche Vermittlerin, bringt er am Telefon erstmal nur ein Wort heraus: „Wer?!“ Gedankenstütze von der Reporterin: „Jennifer Valdés, Ihre Sprecherin.“ Jetzt macht es klick: „Ach so, die Jennifer!“ Bredack lacht auf. „Ich kenn doch nur die Vornamen meiner Mitarbeiter!“

Vermutlich wird der 43-Jährige auch nicht jeden Vornamen kennen. Das wiederum ist keineswegs außergewöhnlich. Denn bei „Veganz“ arbeiten 220 Menschen. Rund die Hälfte steht in den zehn Supermarkt-Filialen in meist deutschen Großstädten, darunter auch Leipzig. Die anderen arbeiten in Vertrieb, Logistik und der Entwicklung für die „Veganz“- Eigenmarke – Hackbällchen ohne Fleisch, Sauce Hollandaise ohne Ei und Butter.

Vor sieben Jahren hat der gebürtige Salzwedeler begonnen, die Handelskette aufzubauen, und zwar mit einem Batzen Eigenkapital. 700 000 Euro waren es, sagt er. Und erklärt die gigantische Höhe mit drei kleinen Worten: „Ich hatte Erspartes.“ Dass er mit solcher Summe hantieren konnte, liegt an dem Job, den Bredack mal hatte: Er war Top-Manager bei Daimler. Ihm unterstanden Vertrieb und Service für die Nutzfahrzeuge auf dem deutschen Markt. Und das, obwohl er zuerst als Schrauber eingestellt worden war.

In Ostberlin, wo Bredack seit seinem zweiten Lebensjahr wohnte, hatte er seinen Abschluss als Kfz-Mechaniker mit Abitur gemacht. Als die Mauer gefallen war, heuerte er bei Daimler in Westberlin an. Nebenbei machte er seinen Meister und studierte. Mit Anfang 30 hatte er sich hochgearbeitet.

Fünf Jahre lang lief es in seinem Luxusjob wie geschmiert, dann bekam er einen Burnout. „Ich kannte als junger Mensch nur Erfolge. Wenn man dann auch mal einen Misserfolg hat, kann man den nicht kompensieren“, erzählt er. „Ich habe mir selbst extrem Druck gemacht aus Angst, dass man mir Statussymbole wegnimmt – die Größe meines Büros, den Top-Parkplatz vor der Firma.“

Jan Bredack krempelte sein Leben um. Er ließ sich nach Russland versetzen auf eine Stelle, auf der er zwei Gänge zurückschalten konnte. Trennte sich von seiner Frau, lernte eine neue kennen. Sie lieferte den Anstoß, auch seine Ernährung umzukrempeln: „Ihr zuliebe bin ich über Nacht Vegetarier geworden.“ Vier Monate später ging er dann noch einen Schritt weiter. „Als ich mich mit Themen wie Milchkonsum beschäftigte, ist mir bewusst geworden, dass es zu kurz gegriffen ist, vegetarisch zu leben.“ Seitdem hat der Berliner kein tierisches Produkt mehr angerührt.

So kam ihm dann recht fix auch die Geschäftsidee mit der veganen Supermarktkette. Eigentlich kein bahnbrechender Gedanke. Trotzdem hatte sich da noch niemand herangetraut. Und es hat ihm auch noch keiner nachgemacht. Das mag zum Beispiel daran liegen, dass die Zusammenstellung eines veganen Sortiments im großen Stil eine aufwändige Sache ist.

Bredack stellte damals zwei Mitarbeiter ein, deren einzige Aufgabe darin bestand, im Internet und auf Messen vegane Produkte aus aller Welt zu recherchieren. Ihr Arbeitsplatz war – wenig verwunderlich – unkonventionell: „Während ich noch in Russland war, saßen sie in meiner Berliner Wohnung.“ Am Ende der Recherche stand eine Liste mit Produkten aus 30 Ländern.

Zwei Jahre später, im Jahr 2011, kündigte Bredack schließlich und eröffnete in Berlin-Friedrichshain die erste „Veganz“-Filiale. Der Erfolg, sagt er, überraschte ihn: „Kalkuliert hatten wir mit 100 Kunden am Tag. Und plötzlich kamen 400.“ Sie bescherten ihm einen Jahresumsatz von 1,6 Millionen Euro. Inzwischen ist er auf 25 Millionen Euro gewachsen.

Einen Anteil daran haben die Produkte der Eigenmarke, die Bredack vor zwei Jahren zusätzlich ins Leben gerufen hat. Die stehen inzwischen in Regalen von Metro, Netto und Edeka, demnächst auch deutschlandweit in den dm-Drogerien.

Das Geschäft mit den Großen scheint sich zu lohnen. Denn der Unternehmenschef will künftig keine weiteren Filialen mehr eröffnen, sondern nur noch über seine Handelspartner expandieren, am besten weltweit. Die bestehenden Filialen, sagt er, seien aber weiterhin wichtig für die Firma: „Sie sind unsere Testlabore.“

Bredack interessiert aber nicht nur, welche Neuheiten die Kunden schätzen, sondern auch, wer sie sind. Aus seinen Erhebungen weiß er: Der Großteil ist Akademiker und weiblich, vom Alter her dominieren junge Erwachsene und Über-50-Jährige. Und dann verrät der Geschäftsmann noch eine Erkenntnis, die überrascht: „Die wenigsten sind Veganer.“ Viele kämen, weil sie Wert auf bewusste Ernährung legten – viel Bio, wenig Fleisch. Andere hätten Allergien, etwa gegen Lactose oder Soja, und würden hier eine größere Auswahl finden als im 0815-Supermarkt.

Bredacks Erfolg hat allerdings auch Schattenseiten. „Von Wettbewerbern, die auch vegane Produkte anbieten, kommt viel Gegenwind“, sagt er. Ständig gingen anonyme Anzeigen ein – zum Beispiel, weil ein Produkt angeblich tierische Bestandteile enthielte.

Und damit nicht genug: Schon mehrfach wurden ihm Schaufenster eingeworfen, vor einem halben Jahr gab es sogar einen Buttersäureanschlag. Offenbar sehen es einige gar nicht gern, dass jemand mit einer alternativen Lebensform im großen Stil Profit macht.

Doch Bredack steht hinter dem Konzept: „Alles, was wir machen, hilft der veganen Sache.“ Die Angriffe, so scheint es, sieht er relativ gelassen. Als würden ihm nach seinem Weg von der Autowerkstatt bis hierher ein paar Steine noch aus der Bahn werfen.