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Startups Der lange Weg zur Gründerkultur

In Sachsen-Anhalt gründen junge Menschen eigene Firmen, doch der Durchbruch als Startup-Land ist bislang ausgeblieben.

18.05.2016, 23:01

Magdeburg l Stefan Langer kennt sich aus mit Zahlen. Algorithmen, Codes und Daten sind das Geschäft des 34-Jährigen. Seit einem Jahr baut er mit drei Mitstreitern das junge Unternehmen „in4s“ auf. In den Räumen an der Universität Magdeburg tüfteln die Gründer an einer Idee, die revolutionär klingt. „Wir entwickeln persönliche Informations-Assistenten für Unternehmen“, sagt Langer. „Die Programme fassen Dokumente zusammen, machen auf Änderungen in Texten aufmerksam und zeigen, wie sich Ideen weiterentwickelt haben“, erklärt der Informatiker. Mit Volkswagen haben die Magdeburger schon erste Projekte umgesetzt. Eine Firma aus Frankfurt am Main hat Interesse an der Idee. Möglicherweise entsteht bald ein Joint-Venture, das sich speziell um Banken kümmert.

Stefan Langer lebt den Gründer-Traum in Sachsen-Anhalt. Die Geschäfte seines Startups laufen gut. „Wir wollen behutsam wachsen und ein Unternehmen aufbauen, das lange am Markt sein kann“, sagt Langer. Nach seinem Studium hatte er den Mut, zu gründen. Nun ist er manchmal rund um die Uhr mit seiner Firma beschäftigt. Er weiß: Wer als junger Mensch ein Unternehmen aufbaut, braucht Leidenschaft, Disziplin und eine gewisse Bereitschaft zum Risiko. Mit „in4s“ sucht Langer dabei ganz bewusst die Nähe zur Universität, will vom innovativen Klima am Campus weiter profitieren. „Ich bin kein Einzelkämpfer“, sagt er.

Das Bundesland Sachsen-Anhalt unterstützt junge Menschen wie Stefan Langer seit Jahren bei der Gründung von Unternehmen: An den Gründerzentren der Universitäten und Hochschulen werden gute Seminar-Ideen zu Geschäftsmodellen. Beim alljährlichen Investforum buhlen Gründer um Kapital, auch ein Netzwerk von Business-Angels versorgt die Firmen mit Geld. Die Investitionsbank und die Beteiligungsgesellschaften helfen den jungen Menschen mit Anschubfinanzierungen und Stipendien beim Sprung in das kalte Unternehmer-Wasser. Industrie- und Handelskammern haben für die Fragen der Gründer stets ein offenes Ohr. Dass Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich seit Jahren die wenigsten Gründer hervorbringt, ist kein Problem der Infrastruktur.

Matthias Raith, der an der Universität Magdeburg Professor für Entrepreneurship ist, erklärt: „Eine Gründerkultur kann man nicht kaufen. Sie muss aus der Gründerszene heraus wachsen.“ Doch eine Gemeinschaft aus kreativen, innovativen Gründern, die sich untereinander austauschen und unterstützen, ist in Sachsen-Anhalt bislang nicht entstanden.

Einen Stammtisch für junge Unternehmer gibt es nicht. Netzwerkveranstaltungen sind selten. Sachsen-Anhalt werde überhaupt nicht als Gründerland wahrgenommen, glaubt Matthias Raith. „Wir müssen an der Sichtbarkeit arbeiten“, schlägt er vor. Gründer im Land suchen nach dem Erfolgserlebnis: einem Startup, das alle mitreißt und zu dem junge Menschen aufschauen können.

Was Raith auch fehlt, ist die Unterstützung der etablierten Unternehmen. „Die regionale Wirtschaft ist gefragt, diese Leute besser aufzunehmen. Eine Willkommenskultur der hiesigen Firmen für junge Gründer fehlt“, sagt Raith.

Jenifer Horst hat vor fünf Jahren zusammen mit Sara Gramann und Sebastian Stolze die Film- und Fotoproduktionsfirma Vorlautfilm gegründet. Der Start des Trios verlief schleppend. Um erste Projekte finanzieren zu können, ging Horst nach ihrer Arbeit bei Vorlautfilm eine Zeitlang kellnern. Bei Aufträgen konkurrieren die Magdeburger auch heute noch mit etablierten Unternehmen aus anderen Bundesländern. „Der Mut der einheimischen Wirtschaft, jungen Unternehmen eine Chance zu geben, ist ganz wichtig“, sagt die 30-Jährige.

Die Unternehmerin hofft, dass in den kommenden Jahren mehr Menschen den Mut finden, in Sachsen-Anhalt ein Unternehmen zu gründen. „Für uns ist es entscheidend, hier Leute zu haben, die mit uns zusammenarbeiten und mit denen wir gemeinsam wachsen können“, erklärt Jenifer Horst.

Entsteht in Sachsen-Anhalt langsam eine Gründerkultur? Jan Alberti, Fonds-Manager und Partner bei BMP Beteiligungsmanagement, glaubt daran. Sachsen-Anhalt habe beste Voraussetzungen, sagt Alberti, der bei BMP auch die Fonds der Investitions- und Beteiligungsgesellschaft (IBG) des Landes betreut. „Im Land gibt es viele gut ausgebildete und kreative Menschen, die sich eignen, ein Unternehmen zu gründen“, sagt der 36-Jährige. Alberti selbst schaut aber auch über die Landesgrenzen hinaus, wirbt bei Jungunternehmern in anderen Städten mit der guten Infrastruktur Sachsen-Anhalts. Denn bislang seien die Möglichkeiten des Bundeslandes noch nicht ausgeschöpft worden. Sachsen-Anhalt, so Alberti, kann mehr.