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Bildungspolitik Schule schließt aus Lehrermangel

Der Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Schulen im Land verschärft sich. Das Land bietet Verbeamtung, Freie müssen mithalten.

Von Hagen Eichler 20.05.2016, 07:20

Hedersleben l Es ist ein Novum in Sachsen-Anhalt: Wegen fehlender Schüler wurden bereits Hunderte Schulen geschlossen, aber noch nie eine wegen fehlender Lehrer. Mit der Sekundarschule Hedersleben bleibt eine freie Schule auf der Strecke. Trägerin ist die evangelische Johannes-Schulstiftung, die am Donnerstag ihre Entscheidung bekanntgab.

„Wir sind tieftraurig“, sagte Stiftungsvorstand Michael Bartsch, „aber alle Anstrengungen zur Gewinnung von Lehrkräften waren vergebens.“ Die Schule könne die Unterrichtsversorgung nicht mehr gewährleisten. Rund 100 Lehrerstunden hätten im nächsten Schuljahr gefehlt, überwiegend in den Naturwissenschaften.

Mit der Schließung erreicht der Lehrermangel in Sachsen-Anhalt eine neue Qualität. Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Schulen. Das Land bietet jungen Lehrern mittlerweile die Verbeamtung. „Die Kollegen werden vom Land umworben, da können wir nicht mithalten“, sagte Bartsch. Lehrer in Hedersleben hätten von direkten Abwerbegesprächen berichtet. „Dass ein derartiger Kampf um Lehrpersonal entstanden ist, bedauern wir sehr.“

Noch deutlicher wird die katholische Edith-Stein-Schulstiftung, die acht Schulen im Land betreibt. „Das ist kein fairer Wettbewerb“, klagt Direktor Steffen Lipowski. Lehrer an öffentlichen Schulen könnten bis zu 500 Euro mehr verdienen als in privaten. „Wir können aber unser Schulgeld nicht weiter erhöhen, weil wir keine Schule für Besserverdiener wollen.“

Freie Schulen erleben immer wieder, wie das Gehalts-Plus Lehrer zur staatlichen Konkurrenz lockt - teilweise trotz laufender Arbeitsverträge. In Stendal landete ein solcher Fall sogar vor dem Arbeitsgericht. Eine Lehrerin wollte wechseln, obwohl sie eine Kündigungsfrist zum Ende des Schuljahres hatte. Die Privatschule sah einen unzulässigen Abwerbeversuch des Landes und protestierte empört. Außergerichtlich einigten sich die beiden Arbeitgeber, die Lehrerin wechselt nun erst zum neuen Schuljahr.

Dass Sachsen-Anhalt zu wenig Lehrer hat, trifft die ländlichen Gebiete als erstes. Die Schule in Hedersleben mit nur 76 Schülern braucht zur Unterrichtsversorgung vor allem Teilzeitkräfte. Dafür lohnt sich selbst aus dem 40 Kilometer entfernten Wernigerode die Anfahrt für einen Lehrer nicht.

Landesweit fürchten viele Schulleiter, dass ähnliche Probleme auch auf sie zukommen. „Perspektivisch wird das auch andere treffen. Das ist für mich das größte Problem der Zukunft“, sagt Pia Kampelmann, Leiterin der Evangelischen Sekundarschule in Haldensleben. In der Kreisstadt nahe Magdeburg habe sie selbst kein Problem, Kollegen zu finden. „Aber auf dem platten Land wird das schwer.“

Die Schüler in Hedersleben müssen nun andere Schulen suchen. Die Schließung sei zwar ein Verlust, heißt es beim Landkreis Harz. In Halberstadt und Quedlinburg gebe es jedoch genügend Schulplätze.

Die Eltern hingegen wollen die Entscheidung nicht hinnehmen. Sie versammelten sich am Donnerstagabend vor der Schule. „Wir haben hier Kinder, die anderswo untergehen würden“, sagte Elternvertreter Thomas Hohmann. Er kündigte an, nun auf eigene Faust nach Lehrern zu fahnden. Seite 4