1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Frauen fern der Heimat erfolgreich

Startup-Unternehmen Frauen fern der Heimat erfolgreich

Gründerflaute unter Sachsen-Anhalts Unternehmerinnen? Drei Frauen beweisen den Mut, ihre eigenen Firmen international aufzubauen.

Von Holger Manigk 27.08.2016, 01:01

Magdeburg l Sachsen-Anhalt gilt nicht gerade als Land der Unternehmensgründer. Nur 0,2 Prozent der in Deutschland neu gegründeten Startups hatten im vergangenen Jahr ihren Hauptsitz im Land. Und von denen wird nur jede vierte Firma von einer Frau gegründet – und das trotz verschiedener Förder- und Beratungsangebote von Investitionsbank, Industrie- und Handelskammern sowie Projekten wie der Unternehmerinnen-Akademie.

Drei Frauen aus Sachsen-Anhalt haben den Schritt ins Ausland gewagt und sich dort selbständig gemacht. Sie verbinden Fernweh und Risikofreude. Traudel Gemmer, Geschäftsführerin der Unternehmerinnen-Akademie, setzt darauf, dass die Firmengründerinnen Vorbild für junge Frauen sind – und Magdeburg in „den nächsten drei bis vier Jahren zu einer Gründerstadt heranwächst“.

Wencke Weiss, die Resolute: Sie hat Bundestagsabgeordnete, Oscar-Nominierte wie die US-Schauspielerin Viola Davis und Gewinner des renommierten Musikpreises Grammy beraten. 20 Jahre lang lebte die gebürtige Magdeburgerin in den USA. Angefangen hatte sie als Studentin am bekannten Musikkonservatorium Juilliard School in New York. „Ich wollte aber nicht als Künstlerin abhängig von Geldgebern und Mäzenen sein, sondern selbst bestimmen“, sagt die 40-Jährige.

Ein Wirtschaftsstudium kam für sie nicht in Frage. Stattdessen habe sie von Wirtschafts- und Marketingkoryphäen wie Eben Pagan gelernt. Mit dieser Straegie arbeitete Wencke Weiss zunächst für das Auktionshaus Christie‘s. Später schaffte sie es zur einflussreichen Business-Trainerin von Geschäftsführern und Prominenten.

Seit sieben Monaten lebt Wencke nach der Trennung von ihrem Mann wieder in ihrer Heimatstadt Magdeburg. Sie ist zurückgekehrt, um sich um ihre kranken Eltern zu kümmern – und tüftelt an neuen Startups.

Mit der Online-Plattform „Luther and me“ will sie Christen aus aller Welt den Kirchenerneuerer und Sachsen-Anhalt als Land der Reformation näher bringen. Geld verdienen will Wencke Weiss dabei mit Luther-Devotionalien wie Souvenirs und Schmuck. „Ich vermarkte unser Land. Wir können vom großen Interesse an Martin Luther in den USA, China und Afrika profitieren“, sagt Weiss. Unterstützung für das Luther-Projekt erhält sie durch das Programm Cross Innovation. Damit fördern Land und EU Unternehmen, die kreative und neuartige Produkte und Dienstleistungen entwickeln.

„Genau wie Luther bin ich ein Rebell“, sagt Weiss über sich selbst. 2011 gründete sie in den USA eine Wirtschaftsplattform speziell für Frauen – unter dem Namen „Rebell in Pink Academy“. Für diese Arbeit verlieh ihr das E-Women-Network, das größte Netzwerk für Frauen in Nordamerika, 2013 den Internationalen Femtor-Preis. „Ich wünsche mir viel mehr junge Frauen, die sich trauen, ihr eigener Boss zu sein und ein Unternehmen zu gründen“, sagt Wencke Weiss.

Ihr zweites aktuelles Projekt, „Avalon-Life“, ist am Donnerstag gestartet. Die Plattform für digitale Währungen mit Sitz in Costa Rica wird komplett mit Solarstrom betrieben. „Kryptowährungen wie Bitcoins funktionieren ganz ohne Banken – es ist schwer vorstellbar, aber ich bin sicher, dass hier die Zukunft der Finanzwirtschaft liegt“, sagt Wencke Weiss über das Unternehmen, das zudem eine eigene Börse für Kryptowährungen und Seminare mit Experten anbietet.

Für solche innovativen Konzepte fehle in Deutschland häufig die Risikobereitschaft, bürokratische Hürden schrecken zudem ab. „Im Vergleich zu den Amerikanern ruhen wir uns gern auf unserem hohen Lebensstandard aus“, sagt Wencke Weiss über ihre Erfahrungen im Ausland.

Stephanie Brauer, die Überlebenskünstlerin: Drei Jahre lang ist die junge Frau rund um den Globus gereist – nach Australien, Asien, Amerika und Afrika. Mitgenommen hat die gebürtige Merzienerin „wenig Klamotten, dafür viel Kameratechnik“. Unterwegs finanzierte sie sich mit Werbefilmen, die sie vor Ort für Auftraggeber wie zum Beispiel Segelbootbauer und Yachtvermieter produzierte. Nun ist die 31-Jährige in ihren Heimatort bei Köthen im Salzlandkreis zurückgekehrt – und hat dort eine eigene Filmproduktionsfirma gegründet. „Ich habe es überall geschafft, mit meinen Filmen Geld zu verdienen, warum also nicht hier als Unternehmerin?“, sagt Stefanie Brauer.

Sie sei schon immer Workaholic gewesen. Nach dem Masterstudium im Fach Elektronische Medien habe sie als Cutterin, Kamerafrau und Aufnahmeleiterin gearbeitet. „Dabei habe ich festgestellt, dass ich besser koordinieren, organisieren und Projekte managen kann, als eine schwere Kamera zu schleppen“, erklärt die Weltenbummlerin, warum sie sich selbständig gemacht hat.

Derzeit schreibt sie ihren Businessplan, sucht Mitarbeiter und versucht, Auftraggeber zu finden – natürlich am liebsten im Ausland. „Dieses Leben heute hier, morgen dort möchte ich nicht aufgeben“, sagt Stephanie Brauer. Das funktioniere auch mit einem Freund oder Ehemann – er müsse nur die Faszination für das Reisen und fremde Kulturen teilen.

 

„Mit meiner Firma ‚Salamander Productions′  möchte ich zeigen, wie groß und schön die Welt ist, wie vielfältig die Menschen sind.“ Sie profitiere dabei von Kontakten, die sie an den verschiedenen Punkten ihrer Weltreise zu Produzenten geknüpft hat. „Fast überall im Ausland ist es einfacher als in Deutschland, schnell und unkompliziert Unterstützer für frische Ideen zu finden.“ Dabei möchte Stefanie Brauer am liebsten nur am Handy und Laptop arbeiten – „ohne massenhaft Formulare und Bürokratie“.

Derzeit arbeitet die Merzienerin an einer Dokumentation für den Kinderkanal über Wanderreiten für Kinder in Deutschland. Zudem plane sie Dokus über Nepal und das Leben einer Frau in Ägypten.

Alexandra Riemann, die Erfinderische: Die Wanderlust hat die junge Frau schon als Kind gepackt. Als Tochter einer chilenischen Mutter und eines deutschen Vaters pendelte sie schon früh zwischen Magdeburg, wo sie zur Schule ging, Brasilien und dem Heimatland ihrer Mutter. Kein Wunder also, dass sie mit einem Internetportal zum Finden von gleichgesinnten Reiselustigen für Furore sorgen möchte?

Nach dem Abitur 2010 studierte die heute 23-Jährige zunächst in Hannover Architektur, bemerkte aber, dass Projektmanagement ihr eigentliches Talent ist. So wechselte sie nach dem Bachelor-Abschluss 2015 an die Hult International Business School – eine Wirtschaftshochschule mit sechs Standorten auf der ganzen Welt und Studenten aus mehr als 120 Ländern. Acht Monate lebte Riemann in London, jeweils zwei in San Francisco und Shanghai. Für einen Freund oder gar eine Familie blieb durch die ständige Reiserei keine Zeit, sagt siede.

Während des Marketingunterrichts habe sie in einer Diskussion mit anderen Studenten die Idee gehabt: „Statt den Urlaub über eine Reiseagentur zu buchen, wäre es viel praktischer, über das Internet Gleichgesinnte zu finden und so seine Reise zu planen.“ Geboren war der Plan für die Website "My Wanderlust".

„Nutzer können ein eigenes Profil anlegen, sich mit anderen abstimmen und Geld – etwa für einen Mietwagen – sparen“, beschreibt Riemann ihr Konzept. Eingetragen werden können Interessen wie Wandern oder Museen besichtigen, die Preisvorstellungen von Backpacker bis Luxusurlaub, die gewünschte Landschaft – von Strand über Wälder bis hin zur Großstadt und die Art der Reise, etwa Familienurlaub, Safari oder Junggesellenabschied.

Nach dem Start ihrer Website sucht die Wahl-Londonerin nun nach Mitgliedern für das Reiseportal, um Investoren für ihr Projekt zu gewinnen. Denn „My Wanderlust“ soll bald auch als App erscheinen. „Das verspricht mehr Nutzer“, sagt Alexandra. Sie hat sich ein Jahr als Zeitlimit gesetzt, um dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Sie sei gespannt darauf, wie sie es allein – ohne Beziehungspartner – mit der App schaffen werde. „Ich denke aber, dass sich mein Job und eine Familie in Einklang bringen lassen“, sagt Alexandra.

Vor Konkurrenz, die ihre Geschäftsidee abkupfert, hat sie keine Angst. „Ich betreibe keine Geheimniskrämerei, der Austausch mit anderen ist als Startup-Unternehmerin existenziell wichtig.“ Rat und Unterstützung von Experten habe sie in London und San Fancisco einfach und schnell erhalten.

„Sogar der Finanzmanager der Bank von England hat mir sofort auf eine E-Mail geantwortet“, berichtet die Master-Absolventin. „Die Mentalität in Großbritannien und den USA ist einfach ganz anders, in Deutschland hätte ich niemals so schnell Mentoren und Türöffner gefunden.“ So würde sie zwar gern nach Magdeburg – in ihrer Reise-Partnerbörse „ein Geheimtipp“ – zurückkehren, bleibt aber vorerst wegen der Kontakte zu Unterstützern und Geldgebern in London. „Dort kann ich fast jeden Abend andere Startup-Unternehmer treffen und von ihnen lernen.“