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Handwerk Der Sackpfeifenmacher von Köthen

Steffen Fischer ist Sachsen-Anhalts einziger Dudelsackbauer. Wie kommt ein Ingenieur für Elektrotechnik zum Dudelsackbau?

Von Nora Hoffbauer 01.09.2016, 23:01

Köthen l Entweder man mag den Dudelsack oder man mag ihn nicht. Steffen Fischer liebt ihn. Seine Werkstatt liegt, etwas unscheinbar, in Köthens Altstadt. Reguläre Öffnungszeiten gibt es nicht. Wer empfangen werden möchte, muss vorher einen Termin ausmachen oder auf gut Glück klingeln. Drei hintereinander- liegende, vollgestellte und schmale Räume sind Fischers Reich.

In dieser kreativen Enge entstehen nicht nur seine Instrumente, sondern auch Illustrationen, mechanische Skulpturen oder kleine geschnitzte Figuren. In Magdeburg geboren, absolvierte Fischer nach dem Abitur ein Fachhochschul- studium zum Diplomingenieur für Elektrotechnik und arbeitete sieben Jahre an der Fachhochschule Anhalt. 2001 machte er sich als künstlerischer Materialgestalter selbstständig und baut seitdem hauptberuflich Dudelsäcke.

„Das Schöne ist der Klang, das Zusammenspiel von den verschiedenen Tönen“, schwärmt Fischer von „seinem“ Instrument, das sein Hobby war und nun sein Beruf ist. „Das ist schon ein schwieriger Schritt, aus einem festen Beruf heraus, der gut läuft und wo man auch eine Anstellung hat, das zu machen“, erzählt Fischer. Zwar hätte ihm der Elektrotechniker Spaß gemacht, aber das Herz hing dann doch mehr an den Dudelsäcken.

Es war keine Entscheidung, die aus heiterem Himmel kam. 1996 baute Fischer seinen ersten Dudelsack, damals noch aus Besen-Stielen und in seiner Freizeit. Er tüftelte und probierte aus: „Man muss sich viel selber aneignen. Ich hab ganz viel gelesen, war in Museen und hatte einen befreundeten Dudelsackbauer im Odenwald, an den ich mich mal hinwenden konnte, wenn ich Fragen hatte. Aber man muss selber auf die Fehler stoßen. Man muss sich durchbeißen und viel probieren.“

Sein Hobby nahm immer mehr Zeit in Anspruch, immer mehr Menschen wollten einen Dudelsack von ihm. Aufgrund der guten Auftragslage und der Freude, die ihm die Arbeit machte, beschloss er, die Elektrotechnik aufzugeben und sich ganz dem Dudelsack zu widmen.

Seine Dudelsäcke sind in der ganzen Welt gefragt, dennoch wird er dafür oft belächelt: „Wenn man zum Beispiel zur Bank geht, um einen Kredit zu bekommen und sagt, dass man Dudelsackbauer sei, fliegt man erst mal achtkantig raus.“ Doch daran hat sich Fischer gewöhnt: „Es kann sich keiner vorstellen, dass das eine normale Arbeit ist. Das haftet dem Dudelsack an. Kein Gitarrenbauer wird gefragt, wovon er lebt, beim Dudelsackbauer ist das immer so.“

Sechs bis acht Wochen, je nach Größe und Sonderwünschen des Kunden, braucht er vom Auftrag bis zum fertigen Dudelsack, was nicht heißt, dass er die ganze Zeit an dem Instrument arbeitet. Fischer nutzt vor allem Obsthölzer für seine Dudelsäcke, vom Birn- oder Nussbaum, selten auch edle Tropenhölzer. Aus ihnen drechselt er die Pfeifen. Viel Werkzeug braucht er dazu nicht, ihm reicht eine Bandsäge, einige Drechselwerkzeuge und ein Bohrer. Das Holz wird mit Leinöl gestrichen. Aus Rindsleder näht er den Sack. Nachdem er das Holz zweifach aufpoliert hat, werden die Pfeifen in das Leder eingebunden. Immer wieder gibt es Arbeitsschritte, die Zeit brauchen, wenn zum Beispiel das Holz nach dem Ölen trocknen oder der fertige Dudelsack eingespielt werden muss.

Um die 500 Euro kosten seine kleinen, leisen Dudelsäcke, die er liebevoll „Hümmelchen“ nennt. Nach oben ist der Preis offen. Jeder Dudelsack ist ein Unikat. Profis würden durchaus hören, welcher Dudelsackbauer das Instrument, das sie spielen, gebaut habe. Bei nur rund sieben hauptberuflichen Dudelsackbauern in Deutschland sei die Szene recht übersichtlich.

Fischers Ziel ist es, alte Instrumente wieder auszuprobieren und in der heutigen Zeit mit heutiger Technik und Materialien wieder neu zu machen. Jeder Dudelsackbauer hat seine eigene Idee davon, wie das Instrument sein soll.

Es sei nicht so festgelegt wie bei einer Oboe oder Klarinette. Wichtig ist, dass es handwerklich richtig ist und sich an die physikalische Tonleiter hält. „Klanglich lege ich nicht so viel Wert auf die extreme Lautstärke, sondern auf die leichte Spielbarkeit“, sagt Fischer. Dazu gehört auch, dass er Kunststoffrohrblätter benutzt, die das Spielen für den Kunden wesentlich einfacher machen.

Mit den schottischen Dudelsäcken haben Fischers Instrumente nichts zu tun. „Sie unterscheiden sich wesentlich, vor allem in Lautstärke und Klang“, erklärt Fischer. Kontakte zu schottischen Dudelsackbauern hat er nicht, zu einigen Kunden in Schottland schon.

Steffen Fischers Kunden teilen sich in zwei Gruppen, erzählt er. Einmal jene, die wissen, was sie haben wollen. Und dann in jene, die einem Impuls, einer Mode vielleicht folgen, ohne sich vorher damit beschäftigt zu haben.

„Die Leute kommen und sagen, sie möchten einen Dudelsack kaufen. Und geben noch 100 Euro dazu, damit sie sofort spielen können. Also diese Ungeduld, das ist ganz schlimm.“ Und das habe extrem zugenommen, findet Fischer. Mit Neukunden führt er mittlerweile gut eine Stunde Beratungsgespräch. Um die 100 Dudelsäcke stellt Fischer im Jahr her. Je nach Auftragslage und auch je nachdem, was er sonst so macht.

Steffen Fischer ist auch ein sehr guter Zeichner. Vergangenes Jahr entwarf er das Plakat zum Sachsen-Anhalt-Tag, momentan zeichnet er an einem Wimmelbuch zum 900-jährigen Bestehen der Stadt Köthen, das noch dieses Jahr erscheinen soll. Und dann haben schon die ersten Leute angerufen, die zu Weihnachten eins seiner Räuchermännchen haben wollen.

Steffen Fischer hat gut zu tun. Alles aus seiner Werkstatt ist Handarbeit, Mitarbeiter hat er keine. Wenn dann noch Zeit bleibt, spielt er privat in einer Rock`n`Roll-Band, meist Kontrabass, Akkordeon oder Mundharmonika. „Dudelsack muss dann nicht unbedingt sein“, lacht er, „den spiele ich ja jeden Tag auf Arbeit.“

Nähere Informationen finden Interessierte im Internet unter der Adresse: www.sackpfeifenmacher.de