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Sprach-Kitas Integration wird zum Kinderspiel

Die Kindertagesstätte „Tabaluga“ in Halle ist eine von 87 „Sprach-Kitas“ in Sachsen-Anhalt.

Von Massimo Rogacki 26.09.2016, 01:01

Halle l „Und welches Tier ist hier abgebildet?“, fragt Erzieherin Annett Berthold und deutet mit dem Finger auf eine Abbildung in einem Bilderbuch. „Das ist eine Kuh“, sagt Elsa Mustafa und schnappt sich die passende Plastik-Figur aus der Holz-Kiste vor ihr. In der Hallenser Kindertagesstätte „Tabaluga“ ist Elsa eines von rund 60 Kindern, die einen Migrationshintergrund haben. Kinder mit Wurzeln in Syrien, der Türkei, Afghanistan oder dem Kosovo, dem Herkunftsland von Elsas Eltern, versucht Erzieherin Annett Berthold in ihrer „Frösche“-Gruppe unter einen Hut zu bekommen.

Einfach ist das nicht. Denn im Gegensatz zu Elsa, die gut deutsch spricht, sind viele Kinder erst seit kurzem in Deutschland. Um die Integration zu beschleunigen, hat sich die Kita Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ gesichert, welches 2015 ins Leben gerufen wurde. Mit den Geldern kann eine zusätzliche halbe Fachkraft beschäftigt werden. Leiterin Esther Pareigis: „Eigentlich ist das noch immer zu wenig. Bei Gruppen von 20 bis 30 Kindern wäre mehr Personal notwendig. Doch wir versuchen, alle Mittel auszuschöpfen.“ Schon seit 2011 greift die Kita auf Mittel aus dem Fördertopf „Frühe Chancen“ des Bundes zurück.

Und leistet sich damit eine Sprachberaterin, die in den Gruppen den Spracherwerb von Kindern wie etwa Elsa unterstützt. Zudem ist die Einrichtung neuerdings eine „Willkommenskita“. Kitas, die Flüchtlingsfamilien aufnehmen, sollen über dieses Programm in ein Netzwerk von Experten, beispielsweise Migrationsberater, eingebunden werden. Sprache sei „ein Schlüssel zur Welt“ und „ein wichtiger Schritt hin zu mehr Chancengleichheit“, sagt Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne. Kita-Leiterin Esther Pareigis würde das unterschreiben. Doch sie weiß auch, dass Chancengleichheit ein Stück weit Utopie ist.

Die Kita „Tabaluga“ befindet sich in Halle-Neustadt – einem der sozial schwächsten Stadtteile in Halle. Viele zugewanderte Eltern können nicht lesen oder schreiben. Manch einer versuche trotzdem mit seinem Kind in bruchstückhaftem Deutsch zu kommunizieren. „Eine ganz schlechte Idee“, meint Esther Pareigis. Besser sei es, zu Hause in der Muttersprache zu sprechen. „Der Zweitspracherwerb ist bei uns ganz gut aufgehoben“ findet die Pädagogin.

Um Kindern aus „bildungsbenachteiligten“ Familien bessere Chancen zu ermöglichen, soll zukünftig verstärkt mit den Familien gesprochen werden. In der Kita „Tabaluga“ werden deshalb unter anderem ein Elterncafé und ein Mutter-Kind-Sprachkurs angeboten. „Leider bleiben die meisten dabei noch stark unter sich“, hat Pareigis beobachtet. Das bedeutet: Türkische Eltern setzten sich neben ein anderes türkisches Pärchen, die syrische Mutter sucht sich eine Landsfrau, die wie sie arabisch spricht. „Das ist normal. Das würde man selbst wahrscheinlich genauso machen“, sagt Pareigis.

Elsa Mustafas Eltern schotten sich ganz und gar nicht ab. Beide haben in Halle Arbeit, sind gut integriert und möchten gern in Deutschland bleiben. Elsa ist in Deutschland geboren, laut Pass aber Kosovarin. Halbjährlich droht der Familie die Abschiebung. „Nur geduldet zu sein ist kein einfacher Zustand. Diese Unsicherheit kann man nicht ausblenden“, sagt Esther Pareigis.

Die „Frösche“-Gruppe tobt inzwischen im Garten der Kita „Tabaluga“. Elsa und ihre Spielkameraden mit türkischen, syrischen oder libanesischen Wurzeln turnen mit deutschen Kindern auf einer Hollywood-Schaukel herum. Integration wird hier buchstäblich zum Kinderspiel.

Wenn Kitas am Programm teilnehmen möchten, müssen sie sich beeilen. Am Freitag endet ein „Interessenbekundungsverfahren“.