1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Syrer ziehen vor Gericht

Familiennachzug Syrer ziehen vor Gericht

Die Zahl der Asylklagen bei den Verwaltungsgerichten in Sachsen-Anhalt wächst stetig. Vor allem Syrer verlangen den Nachzug ihrer Familien.

31.10.2016, 23:01

Magdeburg l Mehr als 3000 Asylklagen sind im vergangenen Jahr beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingegangen und schon jetzt zeichnet sich ab, dass in diesem Jahr noch mehr Asylbewerber die Gerichte in Sachsen-Anhalt beschäftigen werden. Allein mit dem Zustrom der Flüchtlinge nach Deutschland ist diese Entwicklung nicht zu erklären, zuletzt sank ihre Zahl sogar. Ursache für die steigende Klagebereitschaft unter den Zuwanderern ist zunehmend die Politik der Bundesregierung.

Bis Ende 2015 ging es in den meisten Verfahren noch um Asylbewerber vom Balkan, die etwa juristisch gegen ihre Abschiebung zurück nach Serbien oder in den Kosovo vorgehen wollten. Wie Christoph Zieger, Sprecher des Verwaltungsgerichts Magdeburg auf Anfrage erläutert, ist derzeit eine Trendwende zu verzeichnen. „In diesem Jahr wächst die Zahl der Syrer, die gegen Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge klagen.“

Hintergrund ist die Entscheidung der Bundesregierung vom Februar dieses Jahres, dass der Familiennachzug bei Flüchtlingen, die lediglich einen sogenannten „subsidiären Schutz“ genießen, für zwei Jahre ausgesetzt wird. Ursprünglich hatte die Regierung versichert, dass lediglich eine kleine Gruppe von Asylbewerbern einen eingeschränkten Flüchtlingsschutz erhält und somit vorerst keine Familienangehörigen nach Deutschland holen darf. Die Regierung betonte außerdem, dass syrische Flüchtlinge nicht betroffen seien.

Die Menschenrechtsorganisiation „Pro Asyl“ kommt inzwischen jedoch zu anderen Ergebnissen. Allein im Juli hätten bundesweit 13.000 syrische Asylbewerber lediglich einen eingeschränkten Schutzstatus erhalten, bei insgesamt 24.000 Entscheidungen betrug die Quote damit 54 Prozent. Pro Asyl spricht vor diesem Hintergrund von einer „rechtswidrigen Entscheidungspraxis“, da den Syrern voller Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zustehen müsste. Die Organisation kommt zu dem Schluss, dass die Korrektur der Fehlentscheidungen nun auf die Gerichte ausgelagert werde.

Nach Angaben von Gerichtssprecher Christoph Zieger stehen die Chancen für Syrer, vor Gericht zu gewinnen, nicht schlecht. Dass sich tatsächlich viele Betroffene für den juristischen Weg entscheiden, hängt mit den Unterschieden zwischen dem vollwertigen und dem eingeschränkten Flüchtlingsschutz zusammen.

Nicht nur der Familiennachzug ist bei eingeschränktem Schutz ausgesetzt. Betroffene erhalten zunächst nur für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis, die dann jeweils zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Zudem gibt es eine Niederlassungserlaubnis erst nach fünf Jahren.

Flüchtlinge, die nach der Genfer Konvention anerkannt wurden, erhalten hingegen gleich eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre und können schon nach Ablauf dieser Frist eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Sie dürfen zudem ihre Familienangehörigen nachholen.

Damit die Justiz mit der Klagewelle zurecht kommt, hat die Landesregierung bereits im vergangenen Jahr das Personal aufgestockt. Elf Richter und elf Justizsekretäranwärter wurden neu eingestellt. Seit Anfang 2016 verhandelt nicht nur das Verwaltungsgericht in Magdeburg die Asylklagen, sondern auch eine Kammer am Verwaltungsgericht Halle. „Wir werden die Entwicklung der Verfahrenszahlen im Asylbereich in den kommenden Jahren genau beobachten, um gegebenenfalls weiter personell nachzusteuern“, teilt ein Sprecher des Justizministeriums auf Volksstimme-Anfrage mit.

Die Organisation Pro Asyl, aber auch die Grünen verlangen ein Umsteuern der Bundesregierung. „Die Aussetzung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge ist unmenschlich“, erklärte jüngst die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. Beim Landesparteitag in Halle betonte sie, „wer Frau und Kinder in Aleppo zurücklassen muss, wird sich hier auch nicht integrieren können.“ Die Grünen würden deshalb für die Wiedereinführung des Familiennachzugs kämpfen. Hier müsste noch vor der Bundestagswahl etwas passieren. Meinung