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Haushalt Regierung hat sich verzockt

Sachsen-Anhalts Regierung hat sich bei der Haushaltsplanung 2017/18 verkalkuliert. Trotz bester Konjunktur klafft im Kassenplan ein Loch.

Von Jens Schmidt 07.11.2016, 00:01

Magdeburg l Bund, Länder und Gemeinden erwarten nach der jüngsten Steuerschätzung vom Freitag Rekord-Steuereinnahmen. Auch Sachsen-Anhalts Kommunen dürfen sich nächstes Jahr auf fast 100 Millinen Euro mehr freuen. In Sachsen-Anhalts Landesregierung aber gab es am Wochenende lange Gesichter. Grund: Das Finanzministerium hatte für 2017 und 2018 auf weitaus höhere Einnahmen für die Landeskasse spekuliert – und diese in den aktuellen Haushaltsplanentwurf geschrieben.

Nur so konnte das Rekord-Ausgabenprogramm der schwarz-rot-grünen Koalition finanziert werden. Der Rechnungshof hatte vor solch einer riskanten Finanzplanung gewarnt. Nun klafft trotz der guten Konjunktur ein dickes Loch. Die Landtagsfraktionen müssen zusehen, wo sie Ausgaben kürzen. Im Februar soll der Doppelhaushalt für 2017/18 beschlossen werden. Zweimal im Jahr schätzt ein Expertengremium des Bundes die Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte in Deutschland.

Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt ist gehalten, die Mai-Zahlen zu nehmen, wenn sie im Herbst einen Haushaltsplan aufstellt. Sollte die November-Schätzung höhere Einnahmen vorhersagen, hat der Landtag als Gesetzgeber Spielräume, um das eine oder andere zusätzlich zu finanzieren oder Rücklagen zu bilden. Doch daraus wird nun nichts.

Zu den Zahlen. 2016 sieht es noch gut aus. Da nimmt Sachsen-Anhalt 119 Millionen Euro mehr ein, als im Haushaltsplan vorgesehen war. Doch der Überschuss wird 2017 sofort wieder aufgefressen. Nächstes Jahr bekommt Sachsen-Anhalt laut aktueller Steuerschätzung vom Freitag 7,1 Milliarden Euro. Das ist eigentlich nicht schlecht - und etwa genausoviel, wie die Schätzer auch schon im Mai errechnet hatten. Doch das Kabinett unter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte im Oktober beschlossen, die Mai-Zahlen der Steuerschätzer in den Wind zu schlagen und die Einnahmen 115 Millionen höher anzusetzen. So konnte die Regierung die vielen Ausgabenwünsche der Ministerien befriedigen und vermied anstrengende Einspardebatten. Die Landesregierung will in den nächsten beiden Jahren 731 Millionen Euro mehr ausgeben als 2016. Profitieren sollen Schulen, Polizei, Gemeinden.

Nun hat die Regierung also Einnahmen eingeplant, die wahrscheinlich gar nicht kommen. Die im nächsten Jahr dadurch fehlenden 115 Millionen Euro sollen mit den Überschüssen aus 2016 ausgeglichen werden. So einfach geht das 2018 nicht mehr. Für übernächstes Jahr hatte die Landesregierung sogar auf Einnahmen von 7,7 Milliarden Euro gesetzt – auch da war man deutlich von der Mai-Steuerschätzung abgewichen. Die aktuelle Prognose vom Freitag aber sagt: Es gibt nicht mehr als schon im Frühjahr geschätzt. Fazit: Sachsen-Anhalt bekommt 2018 gut 133 Millionen Euro weniger, als sich das die Regierung so gewünscht hatte. Zum Ausgleich dieses Defizits gibt es bislang keinerlei Gegenfinanzierung.

Dieses eigenwillige Hochsetzen von Einnahmen kritisierte der Rechnungshof als regelwidrig und riskant. „Von dieser Praxis muss man sich verabschieden“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Barthel der Volksstimme. Andere Länder kalkulieren wesentlich vorsichtiger und haben am Ende dadurch Finanzpuffer.

In Sachsen-Anhalt kommt 2017 noch ein misslicher Effekt hinzu: Das Land muss 200 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleichstopf zurückzahlen – weil die Gemeinde Lützen eine fette Einnahme, eine Steuernachzahlung, verbuchte. Deswegen steht dem Land insgesamt weniger Hilfe aus dem Länderfinanzausgleich zu. Das war der Regierung aber bei ihrer Etat-Planung längst bekannt.

„Schön ist das alles nicht“, räumte Finanzminister André Schröder (CDU) ein. Er verteidigte die optimistischen Annahmen seiner Fachleute mit dem Umstand, dass die realen Steuereinnahmen in den vergangenen Quartalen stets über der Prognose lagen. Doch die Experten des Bundes erwarten, dass sich in den nächsten Monaten Unternehmensgewinne abschwächen. Schröder sagte mit Blick auf den Bundestagswahlkampf: „Spielräume für mehr Ausgaben oder weitere Steuersenkungen gehen nun gegen null.“