1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Weitere Razzia bei Gebhardt

FälschungsvorwürfeWeitere Razzia bei Gebhardt

Nicht nur Wahlfälschung: Ex-CDU-Stadtrat Holger Gebhardt aus Stendal soll Krankenversicherung um 100.000 Euro betrogen haben.

17.01.2017, 23:01

Stendal l Diese Nachricht dürfte am heutigen Mittwoch um 9 Uhr beim zweiten Prozesstag im Stendaler Wahlskandal buchstäblich wie eine Bombe einschlagen: Gegen Holger Gebhardt wird in einem weiteren Fall wegen umfangreicher Fälschungsvorwürfe ermittelt.

Am gestrigen Dienstagnachmittag bekam der 43-jährige Stendaler unerwarteten Besuch der Ermittler. Mehrere Polizeibeamte durchsuchten seine Wohnung in der Innenstadt. Nach zweieinhalb Stunden verließen sie das Haus mit einem Karton, der etliche Dokumente und elektronische Speichermedien enthielt, erklärte der Sprecher der Stendaler Staatsanwaltschaft, Thomas Kramer, auf Volksstimme-Nachfrage. Diese müssen nun ausgewertet werden.

Kurz vor Weihnachten hatte Gebhardts Krankenkasse am 20. Dezember die Strafanzeige an die Stendaler Staatsanwaltschaft abgeschickt. Sie wirft ihm vor, von Januar 2012 bis Dezember 2016 eine „Vielzahl von Rechnungen“ vorgelegt zu haben, die „gefälscht sein sollen“, wie Kramer bestätigte.

Seitdem ermitteln die Strafverfolger wegen Betrugs und Urkundenfälschung. Den Hauptanteil der Rechnungen, die nach Volksstimme-Informationen täuschend echt aussehen sollen, sind Zahnarzt-leistungen.

Wie es heißt, ist die namhafte deutsche Krankenversicherung Gebhardt durch die Aufmerksamkeit von Sachbearbeiterinnen auf die Schliche gekommen. Eine hatte die Berichterstattung über die Wahlfälschung verfolgt und ihrer Kollegin einen Tipp gegeben. Daraufhin wurde seine Akte einmal näher betrachtet und die hohe Summe während der vergangenen Jahre festgestellt.

Eine Überprüfung der Rechnungen ergab dann, dass es diese Leistungen gar nicht gegeben hat und die Papier gefälscht worden sein müssen. Eine Sprecherin der Krankenversicherung wollte aus datenschutzrechtlichen Gründen dazu keine Stellungnahme abgeben.

Derzeit wird vor dem Stendaler Landgericht gegen Holger Gebhardt wegen Wahl- und Urkundenfälschung in 300 Fällen bei der Kommunalwahl im Mai 2014 verhandelt. Staatsanwältin Annekathrin Kelm sorgte zum Prozessauftakt in vorigen Woche für Aufsehen, da sie eine von Gebhardts Verteidiger avisierte zweijährige Bewährungsstrafe bei einem vollumfänglichen Geständnis „wegen neuer Erkenntnisse“ platzen ließ.

Gebhardts anschließendes Schuldeingeständnis werteten weder Staatsanwältin noch Gericht als ausreichend. Juristen gehen davon aus, dass ihm in diesem Prozess drei bis dreieinhalb Jahre Haft drohen könnten. Die Strafe wegen der neuen Fälschungsvorwürfe käme dann noch hinzu.