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Gedenken Geld für Isenschnibbe auf der Kippe

Der Bau eines Besucherzentrums für die Gedenkstätte Isenschnibbe ist bislang ungeklärt. Nun gibt es Hoffnung.

Von Gesine Biermann 27.01.2017, 00:01

Gardelegen l Es gab schon einen Architekturwettbewerb, und es gibt einen Siegerentwurf. Die Enttäuschung in Gardelegen war groß, als Ende 2016 bekannt wurde, dass die geplanten Kosten für das Besucherzentrum von 3,7 Millionen Euro nicht im aktuellen Doppelhaushalt eingestellt wurden. Der Direktor der Landesgedenkstättenstiftung, Kai Langer, zeigte sich im Dezember „massiv enttäuscht“, sprach von einem Vertrauensverlust.

Inzwischen, so scheint, besteht wieder Hoffnung. Staatskanzleichef Rainer Robra sieht auf Nachfrage die Chance als „realistisch“ an, dass noch in diesem Jahr mit der Umsetzung des Projektes begonnen werden kann. Es gebe verschiedene Finanzierungsmodelle, die derzeit geprüft werden, so Robra. Er zeigt sich zuversichtlich, dass es zu einer Einigung mit dem Finanzministerium kommt. Auch mit Blick auf den inzwischen feststehenden Haushaltsüberschuss, der durch höhere Steuereinnahmen des Landes eingetreten ist, was wiederum erst Ende 2016 bekannt wurde.

Für 3,7 Millionen Euro, so die ursprüngliche Planung, soll die Gedenkstätte in Gardelegen ein modernes Besucherzentrum erhalten. Ein Projekt, das über die Landesgrenzen ausstrahlt: „Die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe ist bundesweit der Ort zum Gedenken an die Todesmärsche“, verdeutlicht Gedenkstättenleiter Andreas Froese-Karow.

Am 13. April 1945 waren in der Scheune am Stadtrand von Gardelegen 1016 Häftlinge aus mehreren deutschen Konzentrationslagern zusammengetrieben worden. Die Scheune wurde angezündet. Wer flüchten wollte, wurde von der Wachmannschaft erschossen – 24 Stunden, bevor die US-Armee die Stadt Gardelegen erreichte. Wegen der internationalen Strahlkraft des Erinnerungsortes war die Gedenkstätte bereits 2015 in die Trägerschaft der Landesgedenkstättenstiftung übergegangen – nach einem entsprechenden Beschluss, den der Landtag bereits 2012 verabschiedet hatte. Bestandteil war auch ausdrücklich die „Errichtung einer modernen wissenschaftlichen und pädagogischen Standards genügenden Gedenkstätte“.

Acht Architekturbüros hatten sich in der Folge an einer europaweiten Ausschreibung beteiligt. Im April 2016 erhielt ein Berliner Büro den Zuschlag. In diesem Jahr ist die Baufeldberäumung geplant, das Besucherzentrum selbst sollte 2018 eingeweiht werden.

Erste Anfragen von ausländischen Gästen zum Eröffnungstermin gibt es bereits. Die Nachricht einer möglichen Verzögerung des Projektes hatte deshalb bei der Stiftung, der Hansestadt Gardelegen, bei Engagierten und Vereinen für Unverständnis gesorgt – vor allem aber auch bei den nur noch wenigen Überlebenden des Massakers und Angehörigen.

„Angesichts des Erstarkens der rechtsgerichteten Kräfte in Deutschland ist der Bau des geplanten Zentrums gerade jetzt dringend erforderlich“, mahnte Monique Dardel, Tochter eines französischen Häftlings, der bei dem Massaker starb, in einem Schreiben. „Wie wunderbar war es, ein Foto des künftigen Dokumentationszentrums in den Händen zu halten. Seine Vertagung ist für mich völlig unverständlich“, sagte erst vor wenigen Wochen Lucien Colonel, einer der letzten Überlebenden der Todesmärsche.

Er wird den Bau nicht mehr erleben. Colonel verstarb vor einer Woche mit 91 Jahren.

Die Reaktionen aus den Landtagsfraktionen zur unsicheren Finanzierung des Besucherzentrums fällt unterschiedlich aus. Siegfried Borgwardt, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, sagt mit Blick auf die Beratungen der Koalitionspartner in den kommenden Wochen: „Das Projekt ist mit aufgenommen in die Liste, aber die Mittel werden nicht für alle Projekte reichen.“ „Der Landtag steht im Wort. Ich bin zuversichtlich, dass dafür Investitionsmittel im aktuellen Doppelhaushalt enthalten sein werden“, glaubt SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle. Auch aus Sicht der Grünen soll es kein Hinausschieben des Projektes geben. „Weitere Verzögerungen beim Bau des Dokumentations- und Besucherzentrums lehnen wir ab“, sagt Sebastian Striegel.

Aus der Opposition teilte Swen Knöchel von den Linken auf Nachfrage mit: „Wir sehen, dass das Geld vorhanden ist. Das Projekt ist durchgeplant, da lohnen alle Anstrengungen.“ Die AfD-Fraktion will dagegen das Geld „zur Lösung drängenderer aktueller Probleme investieren“, teilte Fraktionsvorsitzender André Poggenburg mit und nannte als Beispiele Lehrermangel, mehr Geld für Familien und mehr Polizisten.

Am heutigen Freitag beginnt um 16 Uhr eine Veranstaltung der Hansestadt Gardelegen auf der Gedenkstätte anlässlich des bundesweiten Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus. Um 16.45 Uhr wollen mehrere Bündnisse aus der Altmark für den Bau des Dokumentationszentrums demonstrieren.

Mit Kerzenlicht soll der Umriss des geplanten Gebäudes dargestellt werden.