1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Tatort: Der Mittellandkanal

WasserschutzpolizeiTatort: Der Mittellandkanal

Verkehrskontrollen, Bootsunfälle oder Wasserleichen - jeden Tag stellt sich die Haldensleber Wasserschutzpolizei neuen Herausforderungen.

Von Annika Stock 19.02.2017, 00:01

Haldensleben l Beinahe wäre das tschechische Güterschiff beim Beladen in zwei Teile gebrochen. Eine Ladung Metall hätte mit dem Wasserriesen auf große Fahrt gehen sollen. Dellen zeichnen sich von innen und außen an dem Schiff ab, weil der Schiffsführer sein Boot nur in der Mitte beladen hatte, anstatt die Ladung gleichmäßig zu verteilen. Wegen des Unfalls wurde ihm ein Weiterfahrverbot erteilt, denn der Schaden am Schiff muss zuerst begutachtet werden.
Polizeihauptmeister Uwe Radke, Leiter der Wasserschutzpolizei Haldensleben, ist erleichtert, dass das Schiff nicht ernsthaft beschädigt wurde. Zur Sicherheit ist ein Sachverständiger vor Ort, der die Schäden überprüft und kurz darauf Entwarnung gibt. „Das Weiterfahrverbot kann aufgehoben werden", heißt es. „Das Schiff soll zur Reparatur nach Minden weiterfahren", erklärt Radkes Kollege Frank Henke.
Jeden Tag müssen sich die Beamten auf dem Wasser neuen Herausforderungen stellen. Von illegaler Müllentsorgung an den Anlegestellen, Trunkenheit am Schiffssteuer bis hin zu gefälschten Patenten (Führerschein der Schiffsführer) ist ihnen schon einiges untergekommen.
Kuriose Erlebnisse hat Uwe Radke in seinen 32 Jahren durchaus auch erlebt. Zum Beispiel kollidierte ein Binnenschiff mit einem geparkten Schiff. „Wir trafen auf dem Schiff keine Mannschaft an und informierten den Schiffsführer", erzählt Radke. Dieser war zu Hause, setzte sich ohne Aufforderung in sein Auto und fuhr betrunken zu den Beamten. Was dem Mann anscheinend nicht klar war: Die Wasserschutzpolizisten haben gleiche Befugnisse wie andere Polizisten. So können sie Ordnungswidrigkeiten ahnden, Anzeigen schreiben und Verkehrskontrollen durchführen. Und fahren unter Alkoholeinfluss ist nun mal verboten. Seinen Führerschein war der betrunkene Schiffsführer los.
Insgesamt betreuen die sechs Beamten der Wasserschutzpolizei Haldensleben 60 Kilometer auf dem Mittellandkanal, die Strecke reicht von Oebisfelde bis hin zur Schleuse in Rothensee. Von 6 bis 22 Uhr überwachen sie die Schiffsstrecke auf dem Wasser und auch mit dem Streifenwagen. Dabei nehmen sie auch die normalen Aufgabenbereiche der Polizei wahr, sie nehmen Verkehrsunfälle auf und schreiben Anzeigen bei Ordnungswidrigkeiten. Ab 22 Uhr ist die Wasserschutzpolizei in Magdeburg zuständig, bis der Dienst der Haldensleber Wasserschutzpolizisten wieder beginnt.
Gefährlich wird es bei einer Kontrolle auf einem fahrenden Schiff. Dann ist ein gutes Zusammenspiel zwischen den Beamten gefragt – schließlich trägt der Beamte am Steuer des Polizeiboots die Verantwortung für seinen Kollegen, der auf das Binnenschiff übersteigt. Das Polizeiboot wird bei diesem Manöver so nah wie möglich an das Schiff parallel heran, die Geschwindigkeit liegt dabei bei 10 Stundenkilometern. Vorher wird über Funk das Manöver dem Schiffsführer angekündigt. „Dieses Vorgehen birgt den Nachteil, dass nur ein Kollege an Bord ist, und dass im schlimmsten Fall der Kollege, der übersteigt, ins Wasser fällt", erklärt Radke. „Wenn wir das Manöver vermeiden können, tun wir das." Trotzdem würde es oft Einsätze geben, bei denen eine Kontrolle nur mit fahrendem Schiff möglich ist.
Die Wasserschutzpolizei Haldensleben wird auch dann auf den Plan gerufen, wenn es Tote in ihrem Bereich des Mittellandkanals gibt. „Wasserleichen hat keiner gern", erzählt der Beamte. „Es gab Jahre, in denen ich schon zwei Tote im Jahr bergen musste, aber es gab auch Jahre, in denen ich davon verschont geblieben bin. Im Durchschnitt kommt es alle drei Jahre vor", erzählt Radke. Mit dem Dienstboot müssen die Beamten auf den Kanal fahren und die Leiche bergen. Ermittlungen werden hingegen durch die Fachkommissariate durchgeführt.
Neben der Bergung von Wasserleichen sind die Beamten auch für Schiffsunfälle, die sich in ihrem Bereich ereignen, zuständig. Der Unfall des Binnenschiffes „Rothensee" im Jahr 2014 im Bereich Oebisfelde/Bergfriede war „ein spektakulärer Fall", wie Radke sagt. Das Schiff ist quer im Mittellandkanal gesunken und blockierte diesen zehn Tage lang. Zwar war die Wasserschutzpolizei nicht mit der Bergung des Schiffes betraut, jedoch mit der Ursachenermittlung. „Wir haben den Vorgang begleitet, bis die Wasserstraße wieder komplett befahrbar war", erzählt der Leiter der Wasserschutzpolizei. „Schiffsunfälle haben wir ständig. Das ist wie im Straßenverkehr." Der Unfall der Rothensee war aufgrund der Dauer und der Bergung etwas Ungewöhnliches für die Beamten und deswegen nicht alltäglich.
Der Standort der Wasserschutzpolizei Haldensleben gehört zur Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord in Magdeburg. In Sachsen-Anhalt ist die Wasserschutzpolizei landesweit vertreten. So finden sich auch Standorte der Beamten in Halle, Dessau, Burg und Havelberg.