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BrexitBriten im Land bleiben treue Europäer

Kommt der Brexit-Antrag der Briten im März? Engländer in Sachsen-Anhalt fühlen sich Europa verpflichtet.

Von Steffen Honig 09.03.2017, 00:01

Magdeburg l Obwohl das Oberhaus in dieser Woche das Brexit-Gesetz noch verabschieden muss, will die britische Regierung den EU-Austritt bis Ende März beantragen. Wie sehen Bürger des Königreiches, die in Sachsen-Anhalt leben, den Brexit? Zwei Beispiele: Charlotte Abraham ist glücklich in Magdeburg. Die Englischlehrerin lebt seit 2011 in Sachsen-Anhalt, arbeitet beim Sprachenzentrum der Otto-von-Guericke-Universität und zudem als Lehrbeauftragte an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal. Ihr Verlobter ist Deutscher, die Familie kommt häufig aus der Heimatstadt Cambridge herüber.

Charlotte Abraham gehört zu den erklärten Gegnerinnen des EU-Austritts: „Ich bin sehr, sehr enttäuscht und würde mich freuen, wenn die Entscheidung gekippt werden könnte. Ich habe selbst die Petition für ein zweites Referendum unterschrieben, doch die Regierung ist hart geblieben und sagt: Brexit ist Brexit!“

Was erwartet sie für ihre Mitbürger im Königreich? „Ich glaube, es wird den Leuten schlechter gehen.“ Das Pfund habe bereits an Wert verloren, die Immobilienpreise würden weiter steigen und zahlreiche Jobs verloren gehen, denn viele Briten arbeiteten für die EU. Zudem wollten einige große Firmen, die ihren Hauptsitz in Großbritannien hätten, weg von der Insel.

Die Dozentin glaubt, dass die Chancen für ein zweites Abspaltungs-Referendum im EU-freundlichen Schottland gestiegen seien, das diesmal erfolgreich sein könnte. Charlotte Abraham hat wenig Hoffnungen auf einen harmonischen Abschied des Vereinigten Königreiches von der Europäischen Union: „Man kann nicht das Beste von beidem haben.“

Sie selbst würde gern auf Dauer in Deutschland bleiben. Bei der Ausländerbehörde, bei der sie nach Neuregelungen fragte, vertröstete man sie auf die Verhandlungs-ergebnisse. Charlotte Abraham liebäugelt mit einer doppelten Staatsbürgerschaft, weil es ihr wichtig ist, in der EU zu bleiben. „Mein Herz schlägt wirklich hier“, hebt sie hervor. Aber: „Ich fühle mich nicht deutsch genug, um meinen britischen Pass ganz abzugeben.“ Großbritannien sei ein großes Stück ihrer Identität.

Cornelia Scott ist gleichfalls Hochschuldozentin. Sie wurde als Kind einer deutschen Mutter und eines britischen Vaters in Oxford geboren. Seit 2002 unterrichte sie am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Anhalt in Bernburg. Sie konzentriert sich daher auf ökonomische Brexit-Folgen und meint: „ Es ist zu erwarten, dass das britische Pfund weiterhin fallen wird, britische Produkte im europäischen Vergleich günstiger werden.“

Infografik: Diese Branchen sind am meisten vom Brexit betroffen | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Von der EU neu eingeführte Zölle und Steuern, so Cornelia Scott, werden diesen Preisvorteil aufheben. Deutsche und europäische Produkte werden wiederum für die britische Bevölkerung teuerer. Prof. Scott: „Eventuell gibt es eine Rückkehr zum Ansatz der 1970er Jahre – ,Buy Britisch‘ – eventuell ein Pendant zu ,America first‘?“

Auch die Touristikbranche werde die Konsequenzen spüren, meint Cornelia Scott. „Für Briten bedeutet dies, dass der Urlaub und Aufenthalt in EU-Ländern teuer wird, ein Rückgang von britischen Touristen ist zu erwarten. Wiederum wird das Urlaubsziel Großbritannien günstiger. Dies hat sich bereits gezeigt an der steigenden Zahl asiatischer Besucher in Großbritannien in der letzten Jahreshälfte 2016.“

„Obwohl der Beitrag der Industrie am Bruttoszialprodukt relativ gering ist im Vergleich zu Deutschland, zeichnet sich in der Automobilbranche ab, dass sich Änderungen ergeben werden“, erläutert die Wirtschaftsexpertin. „BMW überlegt, den „Mini e-Car“ in Deutschland produzieren zu lassen, Leipzig ist im Gespräch. Was den Finanzsektor betreffe, so zeigten Studien, dass London seine Attraktivität behalten werde.

„Bildung spielt auch eine wichtige Rolle in der britischen Wirtschaft. Dies wird negativ beeinträchtigt durch den Brexit. Viele ausländische Studenten, insbesondere aus aus dem asiatischem Raum, sind verunsichert von dem dramatischen Anstieg von ausländerfeindlichen Übergriffen“, so die Dozentin. Sie glaubt, dass Deutschland hiervon profitieren wird, „insbesonder bei englischsprachigen Studiengängen wie zum Beispiel an unserer Hochschule Anhalt“.

Persönlich denkt und fühlt Cornelia Scott weiterhin europäisch: „Ich bin also weiterhin eine stolze britische und deutsche Europäerin!“

Da ist sie sich mit Charlotte Abraham einig. Nur eines bleibt für die Wahl-Magdeburgerin schwierig. Sie schaut an der Straße immer zuerst nach rechts. Das ist die Tiefenwirkung des britischen Linksverkehrs.