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Abitur 2017 Tullner kippt überharte Regeln

Schon für die Abiturienten im nächsten Sommer schraubt Sachsen-Anhalt seine Anforderungen herunter. Die Gymnasiallehrer bedauern das.

Von Hagen Eichler 29.06.2016, 01:01

Magdeburg l Sachsen-Anhalt will von seinen Abiturienten künftig ähnliche Leistungen verlangen wie die anderen Länder. Mehrere Regelungen, die über die Anforderungen der Kultusministerkonferenz deutlich hinausgehen, sollen fallen. Das hat Bildungsminister Marco Tullner (CDU) am Dienstag angekündigt. Er reagiert damit auf anhaltende Kritik von Elternvertretern und auf Gerichtsurteile. Vorgesehen sind vier Änderungen:

● In die Abiturnote fließen aus den letzten vier Schulhalbjahren nicht mehr alle 44 Zeugnisnoten ein, sondern nur noch 36. Schüler können somit acht schwächere Noten streichen.

● Schüler wählen ihre vier schriftlichen Prüfungsfächer aus Deutsch, Mathe, Geschichte, einer Fremdsprache und einer Naturwissenschaft aus. Eines dieser Fächer können die Schüler also vermeiden.

● Ein einmaliger Prüfungs-Aussetzer, der mit null Punkten benotet wird, bedeutet nicht mehr automatisch den Ausschluss vom Abitur.

● Schüler dürfen künftig auch nach der mündlichen Prüfung das Prüfungsprotokoll einsehen.

An den Anforderungen des Unterrichts soll sich nichts ändern. Tullner betonte, Sachsen-Anhalt werde nicht in einen Wettbewerb um das leichteste Abitur einsteigen. „Mir geht es vor allem um Gerechtigkeit“, sagte er nach Vorstellung seiner Pläne in der Kabinettssitzung. Die Oberstufenverordnung wurde zuletzt 2011 verschärft. Schüler aus Sachsen-Anhalt können seither bei gleichen Zeugnis- und Prüfungsnoten eine spürbar schlechtere Abiturnote erhalten als ein Schüler etwa aus Hamburg.

Die Änderungen sollen bereits den Schülern zugutekommen, die nach den Ferien in die zwölfte Klasse kommen. Nach einer öffentlichen Anhörung will Tullner die neue Oberstufenverordnung im Oktober in Kraft setzen.

Die Eltern-Initiative „Faires Abi“ sieht nicht alle ihre Forderungen erfüllt, begrüßt aber den Kurswechsel. „Das ist eine gute Entscheidung im Interesse der Schüler. Anders als seine Vorgänger sieht Tullner nicht durch die ideologische Brille, sondern sucht praktische Lösungen“, sagte Initiativen-Vertreter Winfried Borchert.

Der Philologenverband, die Gewerkschaft der Gymnasiallehrer, bedauert die Ankündigung. „Wir hätten mit unserem sehr qualifizierten Abitur deutschlandweit ein Modell sein können. Die Änderungen werden zur Leistungsnegierung führen“, sagte Vize-Landesvorsitzender Thomas Gaube. Er kritisiert vor allem die Möglichkeit, einzelne Noten zu streichen. „Das ist ein falsches Signal, weil sich Schüler dann zurücklehnen können.“

Festhalten will Bildungsminister Tullner daran, dass Schüler sechs Fächer auf erhöhtem Niveau belegen müssen, darunter zwingend Mathematik. „Für eine Differenzierung der Kurse bräuchte ich mehr Lehrer“, sagte er zur Begründung.