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Advent auf Achse Trucker holen sich das Fest ins Fahrerhaus

Kurz vor Heiligabend sind viele Lkw-Fahrer noch auf der Straße. Im Kampf gegen Einsameit hat jeder eigene Strategien entwickelt.

Von Alexander Walter 23.12.2016, 00:01

Uhrsleben l Birger Mensching kommt gerade aus Flensburg, als er am Donnerstag am Autohof Uhrsleben an der A 2 stoppt. Im Frachtraum seines Lkw: tonnenweise Eiswürfel. „Die müssen heut noch nach Berlin“, sagt der 59-Jährige. Um fünf Uhr ist er aufgestanden, erst um 18 Uhr wird er irgendwo in Brandenburg Feierabend machen. Bei seiner Familie wird Mensching auch dann nicht sein, er ist Trucker. Sein Leben spielt auf der Autobahn.

Jetzt in der Weihnachtszeit kann das mitunter schmerzlich sein. „Klar wäre man lieber zu Hause bei Frau, Kindern und Hund“, sagt auch Mensching. Doch er ist ein alter Hase im Geschäft. Seit 40 Jahren sitzt er am Steuer. Um die Zeit fern von den Lieben erträglich zu machen, hat er sich die Weihnachtszeit einfach ins Fahrerhaus geholt.

Ein Räuchermännchen leistet dort einem Schwibbogen und einem Tannenbaum Gesellschaft. „Den Schwibbogen hab ich mir für drei Euro im Supermarkt gekauft“, sagt er. Die Beleuchtung hat er selbst angebaut. „Das alles erinnert mich an zu Hause“, erzählt der Sachse. Die Sehnsucht nach der Familie könne er damit meist verdrängen.

Gleich nebenan hat Friedhelm Steggemann in seinem Brummi schon mehr Probleme mit der Adventszeit auf Achse. Steggemann liefert gekühlte Lebensmittel in ganz Deutschland aus.

Am Donnerstagmorgen hat er in Ostsachsen Milch geladen. Die muss an diesem Tag noch nach Lauenau hinter Hannover. Zwar hat sich auch Steggemann einen roten Nikolaus ins Fahrerhaus gestellt. „Wenn ich abends in der Kabine aber die Weihnachtssendungen im Fernsehen schaue, werde ich schon wehmütig“, gesteht er. Gern würde er in diesen Tagen seine Familie in den Arm nehmen. „An drei Adventssonntagen war ich unterwegs“, sagt er. Seine Frau habe er zuletzt am Sonntag gesehen.

Auch der Westfale hat aber eine Strategie entwickelt: In stillen Momenten schaut er sich auf Youtube Weihnachtslieder von Boney M, der Band Aid oder auch Heino an. „Die Musik berührt mich sehr“, sagt er. Damit komme er trotz der Einsamkeit auf grauen Rasthöfen in Adventsstimmung.

Obwohl Mensching und Steggemann in dieser Woche noch einmal bis zu 3000 Kilometern fahren, haben sie Glück. Sie zählen zu jenen Fahrern, die am Heiligabend zu Hause sein werden. Nicht allen geht das so. Beide wissen das aus Erfahrung. Vor allem Fahrer in der Lebensmittelbranche müssten auch an Feiertagen ans Steuer.

Friedhelm Steggemann hat es zuletzt vor 15 Jahren erwischt, auf einer Tour nach Süddeutschland fuhr er in einen Spanngurt, die Lieferung verzögerte sich. „So ein Weihnachten will ich nie wieder erleben“, sagt er. Dann muss er aber auch los. Schließlich will er am Freitag pünktlich bei seiner Familie sein.