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Beamte Rätselraten über Nebentätigkeiten

Die Ereignisse nach dem Mordfall Yangjie Li haben die Debatte um Nebentätigkeiten von Landesbediensteten entfacht.

Von Jörn Wegner 18.07.2016, 01:01

Magdeburg l Ramona S. darf ihre Gartenkneipe mittlerweile nicht mehr betreiben. Die Polizeidirektion in Dessau hatte der Polizistin ihren Nebenjob untersagt. Ramona S. ist die Mutter des im Mordfall Yangjie Li Tatverdächtigen mit unklarer Rolle bei den Ermittlungen. Ihr Lokal hat sie am Tag nach der Trauerfeier für die Studentin eröffnet – während sie offiziell krankgeschrieben war. Gegenüber der Volksstimme kündigte Innenminister Holger Stahlknecht daraufhin schärfere Regeln im Umgang mit Nebentätigkeiten an.

Wie viele Beamte welcher Art von Nebentätigkeit nachgehen, ist in den meisten Landesministerien nur mit größtem Aufwand in Erfahrung zu bringen. Demnach wird in vielen Ministerien die Nebentätigkeit lediglich in der Personalakte vermerkt, darüber hinaus aber keine Statistik geführt. Wer wissen möchte, wie viele Beamte einen Nebenjob haben und was deren Tätigkeit ist, müsste in einigen Häusern den kompletten Personalaktenbestand auswerten.

Keine Statistiken über Nebentätigkeiten gibt es im Bildungsministerium, wie dessen Sprecher Stefan Thurman mitteilt. Die Anzeigenpflicht gemäß der Nebentätigkeitsverordnung wird dort für ausreichend gehalten. Würde eine Nebentätigkeit nicht den Vorschriften entsprechen oder zu einem Interessenkonflikt führen, wäre diese schon bei Anzeige untersagt worden, so Thurman. Ähnlich lautet die Antwort des Finanzministeriums. „Bei entsprechender Anwendung der bestehenden Regelungen sind Konflikte mit der dienstlichen Tätigkeit ausgeschlossen“, teilt Sprecher Wolfgang Borchert mit. Ohne jede einzelne Personalakte zu studieren, könne keine Aussage über Anzahl und Art der Nebentätigkeiten getroffen werden. „Angezeigte Nebentätigkeiten werden hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Maßgaben geprüft“, so der Sprecher. Aus beiden Ministerien war daher nicht zu erfahren, wie viele Beamte nebenbei welche Tätigkeit ausüben.

Das Justizministerium führt ebenfalls keine gesonderte Statistik über die Zweitjobs. Dank einer Prüfung der Personalakten kann Sprecher Detlef Thiel trotzdem Auskunft geben. „Eine geringe Anzahl an Bediensteten“ habe im laufenden Jahr eine Nebentätigkeit angezeigt. Konkret seien dies sechs Beamte und zwei Tarifbeschäftigte. Überwiegend handele es sich dabei um Lehrtätigkeiten. In einem Fall verdient sich ein Mitarbeiter als Hochzeits- und Trauerredner etwas hinzu. Ähnlich sieht es im Wirtschaftsministerium aus. Fünf Beamte gehen einer Nebenbeschäftigung nach, darunter Lehrtätigkeiten, Testamentsvollstreckung und eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat, so Sprecher Gerhard Gunkel.

Genaueres über die Nebentätigkeiten seiner Beamten ist aus dem Sozialministerium zu erfahren. Zwölf von 220 Beschäftigten gehen einer weiteren Tätigkeit nach, informiert Sprecherin Ute Albersmann. In fünf Fällen handele es sich um Lehrtätigkeiten an Hochschulen, „in den übrigen Fällen um sehr unterschiedliche Tätigkeiten.“

Klarheit herrscht im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. 13 Beschäftigte und 15 Beamte üben dort derzeit eine bezahlte Nebentätigkeit aus, wie das Haus mitteilt. „Die Nebentätigkeiten sind verschiedenster Art, reichen z.B. von Lehrtätigkeit bis hin zu Aufsichtsratsmitgliedschaften“, informiert Sprecherin Jeanette Tandel. Der Grund für die Transparenz: Das Ministerium führt eine gesonderte Statistik.

Einen weitere Aspekt bringt das Verkehrsministerium ein. Beamte sind nicht nur verpflichtet, Nebentätigkeiten anzuzeigen, sondern gegebenenfalls auch Zweitjobs zu übernehmen, wenn es der Dienstherr anordnet. Letzteres betrifft drei Beamte des Ministeriums, die „in der Regel Dozententätigkeiten“ ausführen, teilt Ministeriumssprecher Peter Mennicke mit. Zwei weitere üben eine Nebentätigkeit aus freien Stücken aus.

Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International hält die Regelung in Sachsen-Anhalt für ausreichend. Jedoch macht Wolfgang Jäckle, Anwalt in Münster und Leiter der AG Politik der Organisation, auf eine sachsen-anhaltische Eigenheit aufmerksam: Während im Beamtengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eine ausdrückliche Genehmigung von Nebentätigkeiten nötig ist, muss in Sachsen-Anhalt ein angezeigter Nebenjob explizit untersagt werden.