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BedrohungWaschbär und Mink auf Vormarsch

Sachsen-Anhalt bleibt attraktiv für tierische Einwanderer. Der Waschbär wird zur Bedrohung für heimische Vogelarten.

Von Holger Manigk 08.11.2016, 00:01

Magdeburg l Der Wachbär breitet sich weiter rasant in Sachsen-Anhalt aus. In der Jagdsaison 2015/16 erlegten Jäger im Land mehr als 23.000 der marderartigen Raubtiere. „In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Waschbär-Population bei uns wahrscheinlich verzwanzigfacht“, sagt Wilko Florstedt. Der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes hält es für umöglich, die eingewanderten Räuber wieder komplett aus der Natur zu entfernen.

Die größten Steigerungen bei den erlegten Tieren verzeichneten Jäger im Altmarkkreis Salzwedel mit 950 und im Harz mit 576 erschossenen Waschbären mehr als im Vorjahr. Allein im Landkreis Stendal wurden 4299 der Marder getötet. Ursprünglich hatten die Waschbären in Pelztierzuchten im Harz und bei Berlin gelebt. In den Wirren am Ende des Zweiten Weltkrieges konnten die gewitzten Tiere ausbrechen und verbreiten sich ungehindert mangels natürlicher Feinde.

Waschbären plündern nicht nur Mülltonnen und Vorgärten. „Sie haben die Europäische Sumpfschildkröte nahezu ausgerottet“, berichtet der Chefjäger des Landes. Graureiher, Kranich und Schwarzstorch würden nicht mehr in Gruppen brüten, sondern einzeln – um ihr Gelege vor Waschbären zu schützen. „Zudem verdrängen sie den hemischen Baummarder aus seiner ökologischen Nische.“

Die Europäische Union hat den pelzigen Räuber im Juli in ihre Liste der invasiven Arten aufgenommen. „Die Probleme wurden endlich erkannt“, sagt Florstedt. „Die EU-Liste ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber derzeit noch zu kurz gefasst“, pflichtet ihm Nabu-Landesgeschäftführerin Annette Leipelt bei. Sowohl Naturschützer als auch Jäger fordern, dass der Mink ebenfalls in die Kartei unerwünschter Neulinge aufgenommen wird.

Die Wassermarder bedrohen als Nesträuber in kleineren Gebieten die Bestände bedrohter Vogelarten, erläutert Annette Leipelt. Minke hätten etwa die Lachmöwen-Kolonie am Schollener See östlich von Stendal komplett ausgerottet, sagt Wilko Florstedt. Die amerikanische Unterart des Nerzes habe würden sich zwar noch nicht exponentiell vermehren, aber das sei bald möglich. Jäger erlegten im vergangenen Jahr 293 der Wassermarder.

„Vor acht Jahren sind rund 18.000 Minke von einer Pelztierfarm bei Altengrabow ausgebrochen“, erklärt der Chef des Landesjagdverbandes den Ursprung der kleinen Räuber. Die Hälfte der Tiere habe überlebt, verbreite sich nun elbabwärts nach Norden. „Noch können wir einschreiten und die Lage beherrschen“, mahnt Florstedt.

Flächendeckend habe sich inzwischen auch der Marderhund in Sachsen-Anhalt verbreitet, sagt Wilko Florstedt. Der Konkurrent von Fuchs und Dachs sei aus Osteuropa jenseits der Oder-Neiße-Grenze eingewandert. „Jäger treffen die Raubtiere hauptsächlich in den östlichen Landkreisen Stendal, Jerwichower Land und Wittenberg sowie im Altmarkkreis Salzwedel an.“ Mit 3165 erlegten Marderhunden liege man noch deutlich unter der Strecke des östlichen Nachbarlandes Brandenburg, so der Chefjäger.

Die Landesjägerschaft setzt auf flächendeckenden Fallenfang, um vor allem der Waschbären Herr zu werden. „Diese Methode ist unpopulär, aber mit Lebendfallen können wir fälschlich gefangene Tiere wieder frei lassen“, erläutert Florstedt. Dafür benötigten die Jäger jedoch mehr Geld und Personal. „Die Fallen müssen zweimal täglich kontrolliert werden, der Lebendfang ist sehr zeitintensiv.“

Eine Alternative dazu kann der Nabu nicht vorschlagen, „aber wir wagen zu bezweifeln, ob Bejagung zur Eindämmung des Waschbären-Bestandes beiträgt“, sagt Annette Leipelt. Die Nabu-Chefin verweist darauf, dass trotz steigenden Abschusszahlen der Jäger der Waschbär-Bestand im Land wachse.