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Beraterverträge Felgner trickst Parlament aus

Wirtschaftsminister Felgner gerät wegen eines verschleierten Millionen-Beratervertrages in Erklärungsnot.

19.08.2016, 04:00

Magdeburg l Das Finanzministerium hat im November 2013 einen Millionen-Auftrag am Parlament vorbei vergeben. Das belegen Recherchen der Volksstimme. Noch bevor der Landeshaushalt beschlossen wurde, unterzeichnete der damalige Finanz-Staatssekretär Jörg Felgner (SPD) den Vertrag. Felgner ist jetzt Wirtschaftsminister.

Rückblick: Am 4. November 2013 schloss das Haus des damaligen Ministers Jens Bullerjahn (SPD) einen Geschäftsbesorgungsvertrag über 6,3 Millionen Euro mit der Investitionsbank (IB) ab. Dieser ermöglichte es der IB, Aufträge an Dritte zu vergeben. Bereits drei Tage später startete die Investitionsbank ein europaweites Ausschreibungsverfahren. Auf diese Weise wurden Leistungen in Höhe von 4,4 Millionen Euro an das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (isw) in Halle vergeben – welches regierungsintern als „Haus- und Hoflieferant“ für Bullerjahn galt.

Das Problem bei der Vergabe: Zum Zeitpunkt der Vertragsunterschrift und zum Start des Ausschreibungsverfahrens hatte der Finanzausschuss über diesen Teil des Landeshaushalts noch gar nicht beraten. Das geschah erst am 27. November. An diesem Tag war Bullerjahn im Ausschuss. Rechnungshofpräsident Kay Barthel, der damals finanzpolitischer Sprecher der CDU war, sagt: „Er hat den Vertrag mit keiner Silbe erwähnt.“ Das belege auch das Protokoll.

Beschlossen wurde der Haushalt sogar erst im Dezember – gut fünf Wochen nach Vertragsunterzeichnung. Barthel hält das Vorgehen des Finanzministeriums für „inakzeptabel“. Bullerjahn habe die Parlamentarier im Unklaren gelassen. „Das ist ein Bruch mit den üblichen Spielregeln im Finanzausschuss, ein haushaltsrechtlicher Verstoß“, sagt er.

Felgner weist die Kritik zurück. Man habe den Landtag „sehr frühzeitig“ eingebunden, beteuert er im Volksstimme-Gespräch. Bereits im September 2013 sei der Haushalt im Parlament eingebracht worden, so Felgner. Außerdem sei der Geschäftsbesorgungsvertrag unter „Haushaltsvorbehalt“ unterzeichnet worden. Ein Argument, das der Rechnungshof nicht gelten lässt – zumal Aktenvermerke der Fachebene im Finanzministerium belegen, dass die Hausspitze vor einem solchen Verfahren unmissverständlich gewarnt worden war.

Felgner hält den Zeitablauf für „absolut korrekt“. Bei der Beratung im Finanzausschuss Ende November 2013 habe es „weder Nachfragen von Abgeordneten noch vom Landesrechnungshof“ gegeben. „Damit war das Thema für uns erledigt.“

Das bringt den Rechnungshofpräsidenten auf die Palme. „Wie soll der Finanzausschuss bei einer Sache nachfragen, die ihm verschwiegen wird?“ In dem Gremium werde sonst lange über 20 000 Euro diskutiert. Barthel: „Und bei 6,3 Millionen Euro wird gesagt, das ist nicht notwendig. Das kann ich nicht nachvollziehen.“ Die Vorlagepflicht im Finanzausschuss sei ausgehebelt worden.

Gemutmaßt wird, dass das Finanzministerium die Aufträge am Parlament vorbei schleuste, um sich lästige Diskussionen zu ersparen – die es nicht zuletzt auch immer wieder um eine gehäufte Vergabe an das isw gab.

Finanzminister André Schröder (CDU) sieht die Angelegenheit kritischer als Felgner. Der Geschäftsbesorgungsvertrag werde „in seiner derzeitigen Form nicht fortgeführt“, kündigt er an. Aufgabenstellungen würden entweder verändert oder ganz gestrichen. Auch eine Kündigung des Vertrages sei eine Option.

In den letzten Monaten hatte der Rechnungshof stichprobenartig Beraterverträge und Gutachten durchleuchtet. Ergebnis: Zwei Drittel der Verträge, die die Ministerien zwischen 2010 und 2013 auslösten, wurden freihändig verteilt. Rund 14 Millionen Euro gaben die Häuser für Beratungsleistungen aus, ohne Vergleichsangebote einzuholen. Am Freitag berät der Finanzausschuss darüber.