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Beratervertrag Keine Buchführung über Gespräche

Finanzministerium und ISW können nicht erklären, wie ein umstrittenes Bullerjahn-Beratungskonzept im Detail umgesetzt wurde.

28.04.2017, 23:01

Magdeburg l Das in der Berateraffäre in die Kritik geratene Hallesche Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) hat sich am Freitag erstmals zu einem fragwürdigen Kommunikationskonzept für das Finanzministerium geäußert. Das ISW bestätigte der Volksstimme, dass der renommierte Kommunikationsberater Michael Kronacher, der 2010/2011 die SPD und ihren Spitzenkandidaten Jens Bullerjahn im Landtagswahlkampf beriet, mit 28.000 Euro (netto) einen Großteil der Auftragssumme (47.600 Euro brutto) erhalten hat. Ob Kronacher die Leistungen gemäß dem Vertrag auch tatsächlich erbrachte, ließ ISW-Geschäftsführer Gunthard Bratzke offen.

Kronacher sollte für das Finanzressort eine neue Kommunikations- und Eventstrategie zum „finanzpolitischen Dialog“ entwickeln. Ex-Finanzminister Bullerjahn hatte am Montag bestätigt, dass er die Beauftragung Kronachers über die Landes-Investitionsbank (IB) und das ISW in die Wege geleitet hatte. Auf diese Weise umging er den Finanzausschuss. Mit ISW-Chef Michael Schädlich ist Bullerjahn eng befreundet.

Das der Volksstimme vorliegende Positionspapier ist dürftig: Auf 16 Seiten werden längst bekannte Kernbotschaften zusammengefasst. Daneben sollte der Kommunikationsexperte Kronacher laut ISW auch Bullerjahn, die Hausspitze und die Öffentlichkeitsabteilung des Finanzministeriums „individuell“ beraten. Dafür habe Kronacher gegenüber dem ISW 25 Tage beziehungsweise „25 Beratungstermine angezeigt“, so ISW-Geschäftsführer Bratzke.

Das Finanzministerium kann das so detailliert nicht bestätigen. „Über die Gespräche wurde nicht Buch geführt“, sagte ein Sprecher der Volksstimme. Die „alltägliche Arbeit“ des Referats für Öffentlichkeitsarbeit sei „inhaltlich durch Herrn Kronacher nicht verändert“ worden. Damit verdichten sich die Hinweise, dass Bullerjahn mit seinem Vorgehen im Herbst 2011 im Alleingang versuchte, einem Vertrauten einen lukrativen Vertrag zuzuschustern.

Mit dem „finanzpolitischen Dialog“ wurde nicht zum ersten Mal ein teures Kommunikationspapier erstellt. Bereits im August 2009, nur eineinhalb Jahre zuvor, hatte das Bullerjahn-Haus ein weiteres finanzpolitisches Kommunikationskonzept angefordert.

Damals ging es um die „Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder“. Die Sache lief nach alt bekanntem Muster: Über Investitionsbank und ISW wurde der Auftrag eingetütet.

Auch davon erfuhr der Landtags-Finanzausschuss nichts. Nach Volksstimme-Informationen flossen allein für die Kommunikationsstrategie 50.000 Euro. Für die „Unterstützung bei der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung und Durchführung der Jahreskonferenz“ gab es einen weiteren Nachschlag in Höhe von 40.000 Euro.

Der Vertrag aus dem Jahr 2009 ist bereits der dritte aus der Bullerjahn-Zeit, der viele Fragen aufwirft. Im Zusammenhang mit einem weiteren 80.000-Euro-Auftrag für das ISW („Immobiliendialog 2020“) ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft Magdeburg wegen des Verdachts der Untreue.