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Blackout Erneutes Abi-Drama zeigt Folgen

Ein Stendaler Schüler fällt nach einem Stotter-Auftritt durch das Abitur - und bekommt es durch eine Sonderregelung doch noch.

Von Hagen Eichler 28.06.2016, 01:01

Stendal/Magdeburg l Der 18-jährige Philipp Krüger absolvierte am 9. Juni im Stendaler Rudolf-Hildebrand-Gymnasium die mündliche Prüfung im Fach Sozialkunde. Das Ergebnis war desaströs: Von 15 möglichen Punkten bekam er keinen einzigen. „Ich hatte wegen Prüfungsangst in der Nacht fast nicht geschlafen. In der Prüfung ging dann gar nichts mehr, mein ganzes Wissen war wie weggeblasen“, erinnert sich der Stendaler.

Ein solcher Blackout hat für Abiturienten in Sachsen-Anhalt harte Konsequenzen. Die Oberstufenverordnung legt fest: Erreicht ein Schüler in der mündlichen Prüfung nicht mindestens einen Punkt, hat er die Abiturprüfung nicht bestanden. Eine zweite Chance ist nicht vorgesehen.

„Für mich ist damit alles zusammengebrochen“, sagt der gescheiterte Prüfling. Ohne Abitur war das angestrebte Studium der Wirtschaftsinformatik plötzlich unerreichbar. „Ich hatte vorher auch gar nicht auf dem Schirm, dass so etwas passieren kann.“

Was Krüger zum Zeitpunkt der Prüfung nicht wusste: Die bei ihm angewandte Null-Punkte-Regelung ist rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hatte sie Ende Januar nach der Klage eines Gymnasiasten aus Bernburg gekippt. Vor drei Jahren war der damals 19-Jährige mit null Punkten in Religion durch das Abi gefallen. Zu Unrecht, wie die Richter feststellten. Sie forderten, die Oberstufenverordnung müsse auch die sonstigen Leistungen eines Schülers berücksichtigen. „Ein einmaliges Versagen in einer mündlichen Prüfung“ belege noch nicht die fehlende Hochschulreife.

Für den Stendaler Schüler war das Urteil die Rettung. Über einen Rechtsanwalt legte er Widerspruch ein, schon am nächsten Tag bot das Hildebrand-Gymnasium die Wiederholung der Prüfung an. „Da konnte ich dann auch zeigen, was ich gelernt hatte“, sagt Krüger. Mit acht Punkten bestand er, das Abitur hat er nun in der Tasche.

Der Stendaler Fall erhöht nun den Druck auf Bildungsminister Marco Tullner (CDU), die Oberstufenverordnung schnell zu ändern. Die noch immer gültige Fassung sieht eine Prüfungswiederholung gar nicht vor. Nach Volksstimme-Informationen hat das Landesschulamt deshalb intensiv nach einer Formalie gesucht, mit der sich ein erneuter Prüfungstermin begründen ließ. Fündig wurde man bei der Prüfungsdauer. Hätte Krüger statt 20 die maximal erlaubten 30 Minuten ausschöpfen können, so das Argument, hätte er seine Blockade vielleicht überwunden.

Dennoch will Tullner nun auch politisch regieren. Eine Änderung der Oberstufenverordnung stellt er am Dienstag im Kabinett und anschließend der Presse vor. Dabei soll es nicht nur um die Null-Punkte-Regelung gehen. Sachsen-Anhalt ist seit langem wegen besonders hoher Hürden für Abiturienten in der Kritik.