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Bodenschätze Harzer kämpfen gegen Steinbruch

Mitten im Wald soll in der Nähe von Ballenstedt bis zu 60 Meter tief Grauwacke abgebaut werden. Anwohner gehen auf die Barrikaden.

Von Dennis Lotzmann 28.11.2016, 00:01

Ballenstedt l Dirk Reichel vom Heimatverein im Falkensteiner Ortsteil Meisdorf ist zufrieden: Die erste Zwischen-etappe ist erreicht. Binnen weniger Wochen haben mehr als 2500 Einwohner aus dem Harzkreis auf einer Internet-Plattform gegen einen bei Ballenstedt mitten im Wald geplanten Steinbruch Position bezogen. Damit ist die von den Betreibern der Plattform gesetzte Mindestzahl – das sogenannte Quorum – erreicht. Nunmehr, erklärt ihr Sprecher Konrad Traupe, werde man auf Kommunalpolitiker im Harzer Kreistag sowie Landrat Martin Skiebe (CDU) zugehen und sie um eine Stellungnahme bitten.

Damit bekommt eine im Ostharz laufende Protestaktion nun einen neuen Anstrich. Waren es zunächst vor allem die Ballenstedter, die seit Bekanntwerden der Steinbruch-Pläne Unterschriften gesammelt haben, engagieren sich seit dem Start des Raumordnungsverfahrens auch Menschen wie der 52-jährige Dirk Reichel aus der Stadt Falkenstein/Harz. Sie alle wollen verhindern, dass nach Ausschöpfung des Steinbruchs im Ballenstedter Ortsteil Rieder mitten im Ostharzer Wald ein rund 65 Hektar großer Steinbruch entsteht.

Die Pläne dafür treibt die Mitteldeutsche Baustoffe GmbH (MDB) mit Sitz in Petersberg (Saalekreis) voran. Schon vor Jahren hat MDB mit Blick auf die schwindenden Grauwacke-Vorkommen im Steinbruch Rieder die Waldfläche oberhalb von Ballenstedt als Ersatzlagerstätte erworben. Geht es nach den Plänen von MDB, soll in acht bis zehn Jahren dort der neue Steinbruch aufgeschlossen werden. Das vorgebrochene Gestein soll von dort via Seilbahn oder Förderband durch den Wald zum jetzigen Steinbruch Rieder transportiert und dort verarbeitet werden.

Eine ökologische Lösung, wie Heinrich Luttmann, MDB-Betriebsleiter in Rieder, betont. Mit dem neuen Steinbruch ließen sich weite Transportwege vermeiden und jede Menge klimaschädliches Kohlendioxid einsparen. Zudem könnten die rund 35 Arbeitsplätze in Rieder erhalten werden. Harzer Grauwacke sei ja ein gefragter Bau-Rohstoff. Dafür, kontern die Gegner, müsse aber Wald auf einer Fläche von umgerechnet etwa 96 Fußballfeldern gerodet werden. Das sei, so der Tenor, mit dem Tourismus, auf den der Harz baue, nicht vereinbar.

Die Online-Petition haben bis zum gestrigen Sonntag rund 4700 Menschen gezeichnet. Hinzu kommen „mindestens 6200 Unterschriften, die die Ballenstedter in den vergangenen Jahren gesammelt haben“, wie Kurt Neumann sagt.

Der Sozialdemokrat vertritt im Stadtrat zwar mitunter eine parteipolitisch andere Position als Bürgermeister Michael Knoppik (CDU). In puncto Steinbruch besteht im Ballenstedter Kommunalparlament aber partei- und fraktionsübergreifend eine große Einigkeit: Knoppiks Name findet sich neben dem vieler anderer Kommunalpolitiker auf der Online-Petition. „Ich werde alles unternehmen, um das Vorhaben zu verhindern“, so der CDU-Politiker.

Ähnlich sieht es in den benachbarten Ortsteilen der Stadt Falkenstein/Harz aus. Nicht nur der dortige Bürgermeister Klaus Wycisk (CDU) bezieht in der Petition klar Position gegen die Steinbruch-Pläne. Auch der Falkensteiner Stadtrat hat jüngst bei einer Gegenstimme gegen die MDB-Pläne votiert. „Es kann doch nicht sein, dass wir versuchen, den Tourismus auszubauen, und dann machen wir mit einem Steinbruch unser größtes Pfund – die Natur – kaputt“, so Wycisk jüngst.

CDU-Landrat Martin Skiebe hält sich derweil auf Anfrage zurück. Da aktuell das Raumordnungsverfahren laufe, gelte für seine Behörde das Neutralitätsgebot, um keine Verfahrensfehler zu riskieren. Auch mit seiner persönlichen Meinung hält Skiebe daher hinterm Berg. So, wie vor drei Jahren, als die Volksstimme Kandidat Skiebe mit Blick auf die Landratswahl mit dem Thema konfrontierte. Die Meinung eines Einzelnen dürfe nicht entscheidend sein.

Derweil gehen in Ballenstedt nicht nur Anwohner, Bürgermeister und Stadträte auf die Barrikaden. Auch die Verantwortlichen der waldnahen Lungenklinik wollen mit der Stadtverwaltung zugunsten ihrer Patienten alle Register ziehen, um die Pläne zu stoppen. Dabei wissen sie die privaten Waldbesitzer auf ihrer Seite. Die Privatisierung des umliegenden Waldes könnte für MDB womöglich die größte Hürde werden. Die Waldbesitzer sind entweder strikt gegen eine Seilbahn durch ihren Wald oder wollen, wie Ulrich Upmeyer, ihre Entscheidung von der mehrheitlichen Meinung der Einheimischen abhängig machen. Allerdings hat Upmeyer bislang offen gelassen, wo er eine Mehrheit ansetzt. Reichen bislang rund 11 000 Stimmen?

Einen Plan B kann MDB nicht ziehen: Den Grauwacke-Abtransport per Lkw hat das Unternehmen laut Planungsunterlagen selbst gestrichen. MDB-Chef Heinrich Luttmann will trotz der Kritik an den Plänen festhalten. „2500 Unterschriften aus dem Harz sind gerade mal ein Prozent der Einwohner im Harzkreis“, rechnet er hoch. „Unter Bundestagswahl-Prämissen würde ich sagen: Fünf-Prozent-Hürde verfehlt.“