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BullerjahnZweifel an Beratervertrag erhärtet

Beamtin hielt einen Millionen-Beratervertrag für problematisch - und berichtet im Landtag von einer interessanten Dienstreise nach Wien.

09.12.2016, 23:01

Magdeburg l Zwei Stunden und 50 Minuten. Dutzende Fragen muss die heute 49-Jährige als Zeugin beantworten. Wurde bei der Vergabe eines Geschäftsbesorgungsvertrages getrickst? Die Abgeordneten wollen wissen, wie im Jahr 2013 ein 6,3-Millionen-Euro-Geschäft zwischen Finanzministerium und Investitionsbank (IB) ablief. Noch bevor der Landtag grünes Licht gegeben hatte, unterzeichnete der damalige Finanzstaatssekretär Jörg Felgner (SPD) den Vertrag. Die IB vergab die Leistungen zu großen Teilen an das Wirtschaftsinstitut isw in Halle. Felgner, der nach der Landtagswahl Wirtschaftsminister wurde, ist inzwischen wegen fragwürdiger Beraterverträge zurückgetreten.

Besonders der E-Mail-Verkehr des Finanzministeriums interessiert die Abgeordneten brennend. Aus den Akten geht hervor, dass die als Zeugin geladene Referatsleiterin schon am 11. Juni 2013 wissen wollte, ob sie den neuen Vertrag mit der IB erhalten könne, mit dem „wir über die IB das isw beauftragen“. Der Adressat, ein Referatsleiter-Kollege, antwortet ihr nicht. Grund: Er sei seinerzeit wegen des Hochwassers im Einsatz gewesen. Konnte nicht ein Vertreter die brisante Frage klären? Warum hakte die Referatsleiterin nicht nach? Die Antworten lassen vieles offen. Nur unzureichende Erklärungen stützen den Verdacht, dass von Anfang an geplant war, dem immer wieder mit Landesaufträgen bedachten isw einen weiteren lukrativen Auftrag zuzuschustern. Die Referatsleiterin bestreitet das.

Im Ausschuss wird bekannt, dass die Akten im Finanzministerium offensichtlich nicht mehr vollständig erhalten sind. Die Zeugin lässt sich entlocken, dass es in den Unterlagen einst ein Papier der IB mit einer „Beschreibung gab, was der Inhalt des Vertrages sein sollte“. Heute sei dieses Dokument verschwunden, wundert sie sich.

Doch warum wurde das Konstrukt über die IB überhaupt gewählt? „Das habe ich mich auch gefragt“, räumt die Beamtin im Ausschuss freimütig ein. Die Konstellation habe sie als „problematisch“ eingeschätzt. „Damit wird der Verwaltung freie Hand gegeben.“ Tatsächlich wurde der Vertrag am Parlament vorbei geschlossen. Der Landesrechnungshof hält das für rechtswidrig.

Aussagen im Ausschuss bestätigen, dass der Vertrag nur einem ausgewählten Kreis bekannt werden sollte. Auf ausdrücklichen Wunsch des Haushalts-Abteilungsleiters, eines ausgewiesenen Bullerjahn-Vertrauten, lässt die Referatsleiterin in dieser Angelegenheit die eigenen Fachleute, die Sachbearbeiter, außen vor – obwohl der Zeitdruck groß ist.

„Ist es üblich, dass ein solches Thema nur im kleinsten Kreis behandelt wird?“, will Eva Feußner (CDU) wissen. „Es kommt vor, aber es ist selten“, räumt die Referatsleiterin ein. Fand sie das nicht ungewöhnlich? „Ich habe das nicht groß hinterfragt.“

Gab es diese Ministeriums-Investitionsbank-Konstruktion auch mit anderen?, fragt Olaf Meister (Grüne). „In der Häufigkeit kenne ich keine andere Firma, mit der das so gemacht worden ist“, sagt die 49-Jährige mit Blick auf das isw. Direkte Gespräche zum IB-Vertrag habe sie weder mit Finanzminister Jens Bullerjahn noch mit Staatssekretär Jörg Felgner geführt, sagt sie.

Diese führte aber der zweite Zeuge, ebenfalls Referatsleiter im Ministerium. Er hat die von der Ministeriumsspitze gewünschte Erarbeitung des Millionen-Vertrags vorangetrieben und verteidigt jetzt das Vorgehen. Der heute 61-Jährige hatte beste Kontakte in die Ministeriumsspitze und ins isw. Auf CDU-Nachfrage räumt er ein, dass er SPD-Mitglied ist. Mit Bullerjahn und Felgner ist er per Du, mit dem isw-Geschäftsführer Michael Schädlich auch.

Fragen wirft ein Gespräch am 26. Juni 2013 beim Staatssekretär auf. Dabei habe ihm Felgner überraschend mitgeteilt, dass seine Position als Referats­leiter gefährdet sei, erzählt der Beamte. Angeblich ohne Begründung. Es ist ungewöhnlich, dass ein Staatssekretär ein solches – nicht protokolliertes – Personalgespräch führt. Noch erstaunlicher ist: Nur eine Woche später, am 1. Juli 2013, wird der Referatsleiter befördert. Diesen Widerspruch kann der Beamte nicht erklären.

Wie gut die Verbindungen des isw ins Finanzministerium waren, zeigt ein anderes Detail. Es wird bekannt, dass im Jahr 2015 auf einer Dienstreise Bullerjahns und einiger Beamter nach Österreich auch isw-Chef Michael Schädlich dabei war. Zugegen waren in Wien zudem die Ehefrauen Bullerjahns und Schädlichs. Die SPD-Landtagsfraktion verlangt nun Aufklärung über die Reisekosten und wer diese übernommen hat.