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Bundestagswahl Umfrage: Immer noch zu viele Flüchtlinge

4600 Volksstimme-Leser nahmen an der Umfrage zu Asyl, Rente, Innere Sicherheit und anderen Themen teil.

Von Jens Schmidt 20.09.2017, 01:01

Magdeburg l Die Flüchtlingszahlen sind in Sachsen-Anhalt stark gefallen. Wurden 2015 noch 34.340 Schutzsuchende gezählt, waren es im Jahr darauf 9116. Der Trend hält an. Dieses Jahr beantragten bislang 2438 Frauen und Männer Asyl. Bis zum Jahresende werden es schätzungsweise knapp 4000 sein – also achtmal weniger als vor zwei Jahren. Dennoch sagen fast 3000 Befragte: „Nach wie vor kommen zu viele Flüchtlinge und Migranten ins Land.“ Das sind fast zwei Drittel aller 4584 Antworten. Nur ein Viertel erachtet die aktuelle Zuwanderung als verkraftbar.

Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Fragen werden oft nicht streng analytisch beantwortet, vielmehr fließen viele Überlegungen, Ansichten und Stimmungen mit ein. Politik-Psychologe Professor Thomas Kliche (Hochschule Magdeburg-Stendal) sieht mindestens vier weit verbreitete Positionen, die sich hier vermischen:

"Es ist 2015 viel schiefgelaufen." "Wir haben jetzt schon zu viele Flüchtlinge." "Es gibt genug Probleme mit der Integration." "Und: Ich will nicht, dass sich mein Leben verändert."

„Viele Leute haben einen großen Klumpen im Hals“, sagt Kliche. „Mit ihrer Antwort wollen sie auch ein Signal senden.“ Einige Leser haben ihre Antworten noch erläutert. Egbert Klein aus Magdeburg legt die Betonung auf „illegale Zuwanderer“ – von denen kämen zu viele nach Deutschland.

Roland Wenk berichtet: „Ich bin im Wohngebiet umzingelt von Ausländern, welche der Meinung sind, in Einkaufsläden allein zu sein. Benehmen und Lautstärke sind sehr gewöhnungsbedürftig. Die deutsche Sprache wird auch nicht gesprochen. Der Spielplatz wird nur noch von Ausländern besucht.“ Ein anderer Leser schreibt hingegen: „Ich finde, es sollten noch mehr Flüchtlinge kommen, damit die Macher dieser Situation endlich munter werden und den Ländern ihre Lebensgrundlage wieder zurückgeben.“

Hat die Bundesregierung für die innere Sicherheit genug getan, um den Herausforderungen von Terrorismus und Globalisierung gerecht zu werden?

Auch bei dieser Frage überwiegt die Enttäuschung. Trotz verschärfter Gesetze, wie zur ausgeweiteten Videoüberwachung, dem Auslesen von Handydaten oder der Möglichkeit, Gefährdern Fußfesseln anzulegen. 60 Prozent der Leser finden, dass die Bundesregierung das Thema vernachlässigt hat. Martina Drewitsch meint: „Straftäter werden zu milde bestraft.“ Sylke Neumann aus Rogätz hingegen schreibt: „Beim Thema Sicherheit schürt die Bundesregierung die Angst in der Bevölkerung und sorgt damit für Zulauf bei der AfD. Besser wäre es, den Terror, den der Westen in die Welt trägt (Stichwort Afghanistan, Libyen, Syrien), sprich Kriegstreiberei und Rüstungsexporte, ganz einzustellen. Wahrscheinlich wäre der IS ohne Eingriff des Westens im Nahen Osten gar nicht erst entstanden.“ Den schwersten islamistischen Anschlag erlebte Deutschland am 19. Dezember 2016. Der später erschossene Attentäter Anis Amri steuerte auf dem Berliner Weihnachtsmarkt einen Lkw in eine Menschenmenge. Insgesamt gab es 12 Tote und 55 Verletzte.

Was ist vordringlich? Runter mit den Steuern oder Reiche stärker zur Kasse bitten?

Gut die Hälfte der Leser spricht sich dafür aus, die Vermögenssteuer als vordringliches Projekt wieder zu beleben. Diese Steuer wird im Westen Deutschlands seit 1997 nicht mehr erhoben, im Osten war sie nie kassiert worden. Zuletzt betrug der Steuersatz 1 Prozent vom Nettovermögen. Es gab einen Freibetrag von 120.000 Mark (ca. 60.000 Euro) je Person. Die Bundesländer nahmen dadurch etwa 9 Milliarden Mark (4,5 Milliarden Euro) ein. Doch etliche glauben nicht daran, dass eine Bundesregierung große Vermögen wieder extra besteuert. „Über die Vermögenssteuer wird schon seit Jahren nur geredet, aber an die Reichen traut sich keiner heran. Wer sägt schon am eigenen Ast?“, schreibt Thea Klopp aus Neindorf.

Ein Viertel der Befragten hält es für wichtiger, den Solidarbeitrag ersatzlos zu streichen. Diesen Beitrag von gut 15 Milliarden Euro erhebt der Bund von allen Deutschen, um die einheitsbedingten Mehrkosten im Osten zu finanzieren. Der Solidarpakt Ost läuft aber Ende 2019 aus. Einige Parteien wie die FDP wollen den Zuschlag daher sofort abschaffen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hingegen schlug vor, die Zahlung bis 2030 allmählich auslaufen zu lassen. Mit dem Geld sollen Unwuchten im Osten, aber auch in strukturschwachen Gebieten des Westens ausgeglichen werden. Und was meinen Leser? „Was die Steuern angeht, da müsste jede einzelne auf den Prüfstand“, schreibt J. Höhne. Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gehöre abgeschafft.

Jedenfalls erwarten 70 Prozent der Befragten, dass die Bürger irgendwie steuerlich entlastet werden. Nur 27 Prozent würden auf mehr Geld im eigenen Portemonnaie verzichten, wenn dennn der Staat die sprudelnden Steuern einsetzt, um mehr zu investieren und alte Schulden zu tilgen.

Die Große Koalition hat nach Jahren der Debatte beschlossen, die Ost-Renten an die West-Renten anzugleichen. Das Ganze passiert schrittweise bis 2025. Dennoch werden Bezieher kleiner Renten kaum über die Runden kommen. Was tun? Mini-Rente durch Steuergelder aufstocken? Oder sollen kleine Verdienste mit mehr Rentenpunkten aufgewertet werden? Gut die Hälfte der Befragten spricht sich für die zweite Variante aus. Die nach langen Berufsjahren gezahlte Rente empfinden viele als viel zu niedrig. „Traurig, dass man noch Wohngeld und Grundsicherung beantragen muss.“

Andere kritisieren, dass die Renten von Jahr zu Jahr immer stärker besteuert werden. Thea Klopp schreibt: „Mein Ehemann hat 47 Jahre hintereinander schwer gearbeitet und heute ist er kaputt. Er ist 2015 in Rente gegangen mit einer Rente von 880 Euro. Eigentlich ist das eine Frechheit.“ Brunhilde Gashi-Lüders berichtet, dass sie ein Leben lang gearbeitet und drei Kinder großgezogen hat: Heute bekommt sie gerade mal 670 Euro Rente. „Leider muss ich dazuverdienen. Ich arbeite noch in einem Spielcasino, um die Rente aufzubessern. Das kann es doch nicht gewesen sein mit der Einheit.“

Anmerkung: Die Zahl der Befragten variiert, da nicht jeder alle Fragen beantwortet hat. Mehr Informationen gibt es hier.