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Bußgelder Blitzer-Rekord: 18,7 Millionen Euro

Während Polizei-Blitzer in der Regel im Ort erst ab 14 km/h Überschreitung auslösen, stellen einige Kommunen ihre Geräte schärfer ein.

Von Matthias Fricke 18.11.2016, 00:01

Magdeburg l Die Zentrale Bußgeldstelle hat im vergangenen Jahr 18,7 Millionen Euro an Verwarn- und Bußgeldern nach Blitzerverstößen eingenommen. Ein Rekordstand in den letzten fünf Jahren. Bisher lagen die Einnahmen bei etwa 15 Millionen Euro. Und dabei ist der sehr große Anteil der Kommunen nicht mit einberechnet, weil diese bei geringeren Verstößen bis 25 Euro das Verwarngeld gänzlich selbst behalten dürfen. Eine Statistik gibt es nicht. Innenministeriumssprecher Christian Fischer: „Nur bei allen anderen Verstößen, die über die Zentrale Bußgeldstelle laufen, teilen sich Land und Stadt die Einnahmen.“

Die Kommunen nutzen die in einem Erlass des Innenministeriums vorgegebenen Spielräume häufiger aus, als die Polizei. Darin heißt es nur schwammig, dass „unbedeutende oder geringe Normverstöße nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden müssen.“ Bei Tempo 50 liegt dieser „geringfügige Wert einer Überschreitung“ bei maximal 10 km/h zuzüglich des gesetzlichen 3 km/h Gerätezuschlags. Also: Spätestens ab Tempo 64 muss tatsächlich in einer 50er Zone der Blitz auslösen. Vorwerfbar sind dann 11 km/h. Das macht innerorts ein Verwarngeld von 25 Euro. So macht es oft die Polizei. Die Kommunen stellen ihre Geräte aber schärfer ein und nutzen den Spielraum nach unten aus.

Diese Erfahrung hat auch Timo Nötzelmann in Magdeburg gemacht. Er wurde mit 59 km/h von der Kommune geblitzt. Abzüglich der 3 km/h Gerätezuschlag war er also 6 km/h zu schnell und zahlte 15 Euro. Er sagt: „Es ist merkwürdig, dass die Polizei seit Jahren erst ab 64 km/h in der 50er Zone blitzt und die Stadt viel früher.“

Eine ähnliche Erfahrung machte auch der Magdeburger Harald Rohr, der mit 39 km/h in einer 30er Zone erwischt wurde und 15 Euro zahlen musste. Die Zone war wegen eines abendlichen Weihnachtsmarktes eingerichtet worden. Geblitzt wurde morgens um 6.47 Uhr mit einem Tarnnetz. „Wegelagerei“, schimpft Rohr.

Im Erlass des Innenministeriums heißt es zu Tarnnetzen: „Vor dem Hintergrund, dass Überwachungsmaßnahmen stets ordnungspolitische Entscheidungen zu Grunde liegen, ist die Verwendung tarnender Mittel in der Regel nicht erforderlich ...“ Dennoch verwenden Kommunen die Netze häufiger.

In einer Stellungnahme der Stadt Magdeburg zu ihrem mobilen Blitzer heißt es nur: „Unser Vorgehen ist für eine vorwiegend innerstädtische Überwachung angemessen. Über die Einstellung des Messgeräteauslösers geben wir zudem keine Auskünfte.“

Die Stadt Halle zeigt sich da offener. Nach Auskunft ihres Sprechers Drago Bock lösen die Blitzer erst bei 11 km/h zu viel aus. Die Stadt verfügt über drei sogenannte Starenkästen sowie ein mobiles Messfahrzeug. Die Einnahmen der Jahre 2014 und 2015 belaufen sich auf 1,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Landeshauptstadt schaffte es im gleichen Zeitraum mit ihrem einzigen Blitzer auf fast die gleiche Summe – 1,23 Millionen Euro. Der Magdeburger Blitzer ist offenbar besonders effizient. Denn auch der Landkreis Harz schaffte es mit zwei mobilen Blitzern in den Jahren 2014 und 2015 „nur“ auf eine halbe Million Euro an Einnahmen. Obwohl hier die Toleranz niedriger festgelegt ist als in Halle: Geblitzt wird ab einer Überschreitung von 9 km/h. Dies teilte so auch der Burgenlandkreis, der Landkreis Stendal und die Stadt Dessau-Roßlau auf Nachfrage mit.

Insgesamt verfügen vier Landkreise und 18 Kommunen über 14 stationäre und 21 mobile Geräte. Zusammen mit Halle ist Dessau mit jeweils drei stationären Blitzern die Starenkästen-Hauptstadt im Land. Die neueste festinstallierte Anlage steht seit 4. Oktober an der B 189 im Landkreis Stendal im Ortsteil Erxleben. In den ersten 24 Tagen wurden dort 747 Verwarngeldbescheide verschickt, 60 Bußgelder ausgesprochen. Die Anlage ist die zweite im Norden. Die andere steht in Buchholz (B 189).

Wolfgang Ladebeck, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) mahnt: „Die Kommunen sollten mehr Transparenz zeigen und sich bei den Kontrollen nach der Polizei richten.“ Die gewährte Nachsicht, außer der Gerätetoleranz von 3 km/h, ist übrigens nach Auskunft von Verkehrsrechtsanwalt Ronni Krug nicht einklagbar.