1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Boxhandschuhe für den General

EIL

CDU-Parteitag Boxhandschuhe für den General

Die CDU will angriffslustiger werden. Ein Generalsekretär ist jetzt für die „Abteilung Attacke“ zuständig.

Von Michael Bock 20.11.2016, 20:00

Dessau-Roßlau l Sven Schulze, seit 2014 Europaabgeordneter, gilt als sehr rührig und bestens vernetzt. Zum Parteitag am Sonnabend in Dessau-Roßlau verteilt der Harzer die neue Ausgabe seines Europa Reports. Auf 20 Seiten sind mehr als 50 Fotos zu bestaunen. Immer dabei: Sven Schulze. Beim Pflaumenfest, beim Europäischen Grillfest, beim Unternehmerfrühstück. Seht her, der Kümmerer – das ist die Botschaft. Seit Sonnabend muss sich der 37-Jährige noch mehr kümmern. Er ist neuer Generalsekretär der Landes-CDU.

Eines vorweg: Er hält die beste Rede auf dem Landesparteitag. Er trifft den Nerv der Delegierten und bekommt den meisten Applaus. „Wir haben ein Stück weit unseren konservativen Kompass verloren, speziell auf Bundesebene“, sagt er. Die Union sei zu weit nach links gerückt und habe eine Lücke hinterlassen, „die die AfD eiskalt genutzt hat“. Die CDU dürfe neben dem Einsatz für Minderheiten die Mehrheit nicht aus dem Auge verlieren. Schulze sagt: „Wir müssen Debatten anstoßen und auch führen. Wir brauchen klare Botschaften.“ Das vermissen derzeit viele in der CDU.

Schulze schont in seiner Rede auch nicht die Koalitionspartner. „Die SPD produziert ihre Schlagzeilen selbst“, spöttelt er und schiebt den Satz hinterher: „Wenn jemand am Boden liegt, sollte man nicht weiter treten.“

Zuletzt war SPD-Wirtschaftsminister Jörg Felgner wegen seiner Rolle bei umstrittenen Beraterverträgen zurückgetreten.

Dann knöpft sich Schulze die Grünen vor: „Da hat mancher noch nicht verstanden, dass er in der Regierung ist.“ Dass der Grünen-Landeschef Mitglieder der Jungen Union als Schnösel bezeichne – geschenkt. Aber die Sache mit dem Grünen-Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel, die geht Schulze zu weit. Striegel hatte vor etlichen Wochen getwittert: „Wer die CDU wählt, wird den völkischen Rassismus der AfD bekommen.“ Schulze reagiert erbost. „Es steht Ihnen in keinster Weise zu, auch nur einen einzigen Wähler dieser Partei zu beleidigen“, sagt Schulze an Striegels Adresse. Er forderte den Grünen auf, sich bei den Wählern zu entschuldigen und den Satz zurückzunehmen. Riesenapplaus im Saal.

Striegel reagierte via Twitter umgehend: Eine gemeinsame Aussprache mit allen CDU-Landtagsabgeordneten, die Willi Mittelstädt (AfD) zum Vizepräsidenten gewählt hätten, biete vielleicht einen geeigneten Rahmen.

CDU-Landeschef Thomas Webel schenkt Schulze nach der Wahl ein Paar schwarze Boxhandschuhe. „Es ist wichtig, diese Position mit jemandem zu besetzen, der klare Kante zeigen kann und auch will“, sagt er. Ring frei also für den Generalsekretär.

Trotz eines überzeugenden Auftritts und lang anhaltenden Beifalls bekommt der neue Partei-Faustkämpfer ein eher mäßiges Ergebnis. 145 Delegierte stimmen für Schulze, 37 votieren mit Nein. Das entspricht 79,7 Prozent. Als prominentester Delegierter hält Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner einen Generalsekretär für überflüssig. Er vertritt die Auffassung, dass die CDU-Minister selbst Kante zeigen sollen.

Das aber ist nicht die Linie von Ministerpräsident Reiner Haseloff. Der ist stets bemüht, die schwarz-rot-grüne Regierung mit einer Art Zuckerguss zu überziehen. Offener Streit wäre hinderlich für die Prima-Klima-Strategie. Auch Parteichef Webel ist als Verkehrsminister in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Er hält sich in vielen Fragen mehr zurück, als es sich der eine oder andere in der Union wünscht.

Beim Parteitag stellt Webel heraus, was die Union in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen alles erreicht hat. „Wichtig ist das Signal: Die CDU bestimmt den Kurs in diesem Land.“

In der vorigen Wahlperiode regierten CDU und SPD gemeinsam. Die damalige SPD-Chefin Katrin Budde sah sich nach den Koalitionsverhandlungen 2011 als Siegerin und erfand das Bild von einem Marienkäfer – viel rot mit schwarzen Punkten. Webel sagt jetzt: „Der Marienkäfer ist schwarz mit ein paar roten Punkten und zwei grünen Beinen.“