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Einfach Olympisch Für Brocken-Benno zählt das Ziel

In wenigen Tagen beginnen die Olympischen Spiele. Doch was ist olympisch? Benno Schmidt, alias Brocken-Benno, spricht über Ausdauer.

Von Jörn Wegner 02.08.2016, 01:01

Herr Schmidt, was heißt für Sie Ausdauer?

Benno Schmidt: Ausdauer heißt für mich, dass ich erstmal ein Ziel haben muss. Das begann vor einigen Jahren, als der Brockenwirt die Idee hatte, Brockenpässe herauszugeben, auf denen man sich den Aufstieg bestätigen lassen kann. Und wenn man so eine Karte hat, möchte man die natürlich vollbekommen. Da begann ein Wettbewerb unter Wanderern. Dann habe ich mich über jemanden geärgert, der nach 100 Aufstiegen gesagt hat „Ich bin der Brockenkönig, und der bleibe ich für alle Zeiten.“ Das hätte er nicht sagen dürfen, den wollte ich von seinem Thron holen. Das war allerdings extrem, ich musste teilweise mehrmals am Tag gehen, aber irgendwann hat er aufgegeben.

Ist der Brockenaufstieg also eine rein sportliche Sache?

Das war im Grunde genommen nicht mein Ziel. Ich war schon immer naturbegeistert, aber der Brocken war ja unerreichbar für 28 Jahre. Ich wohne ja unterhalb des Schlossbergs. Ich könnte jeden Tag auf den Schlossberg gehen, aber das ist eben nicht der Brocken. Der Brocken ist wie ein Magnet.

Auch der Ansporn, weiter durchzuhalten?

Ich habe ja auch die Harzer Wandernadel mit 222 Stempelstellen drei Mal gewandert, aber der Brocken bleibt das Ziel. Man muss ein eisernes Ziel haben, sich immer wieder motivieren. Dieses Ziel ist notwendig, wenn man eine gewisse Ausdauer erreichen will. Und man sollte Vorbilder haben. Es wäre jetzt vermessen zu sagen, Reinhold Meßner ist mein Vorbild. Aber damals war es Egon Ecklebe. Der hat zweimal eine Deutschlandrunde gemacht.

Wie erreicht man Ausdauer und Ziel?

Ich habe mir immer wieder Etappen vorgenommen. Als ich damals angefangen habe, habe ich nicht gesagt, dass ich 8000 Mal hochgehen will. Man muss sich vielmehr Nahziele setzen, die erreichbar sind. Sie dürfen nicht zu leicht sein, man muss sich trotzdem anstrengen, um sie zu errichen. Aber es muss immer realistisch bleiben. Ich hatte gesagt, ich habe jetzt 1000 erreicht, also mache ich mal 2000. Und ganz am Anfang wollte ich einfach nicht der Letzte unter den Brockenwanderern sein.

Gibt es Momente, in denen Sie sich nicht motivieren können oder es bereut haben, hochgegangen zu sein?

Natürlich gibt es das. Wenn ich morgens aus dem Fenster schaue, und es regnet in Strömen. Dann fragt meine Frau, ob ich mir das wirklich antun muss, da hochzugehen. Da überlege ich eine Weile und gebe mir einen Ruck. Ich habe ja Regenbekleidung ohne Ende. Manchmal habe ich Glück, dann hört es auf, manchmal habe ich einen ganzen Tag Regen. Aber ich habe mir vorgenommen, wenn ich die 8000 geschafft habe, dass ich nicht mehr jeden Tag hochgehe. Vor allem nicht im Winter.

Im Harz ist der Winter doch besonders schön …

Aber nicht, wenn kein richtiger Winter ist. Wenn früher im November der erste Schnee fiel und dann immer etwas hinzukam, war es schön. Aber heutzutage wechselt das. Es schneit, dann kommt Tauwetter, Regen, Eis. Das muss nicht sein. Aber bisher hat mich das Wetter noch nie abgehalten. Ich war ja auch der Einzige, der bei Orkan Kyrill oben war. Alles war evakuiert, und ich habe gesagt, ich versuch’s mal.

Es scheint einen gewissen Konkurrenzkampf unter Brockenwanderern zu geben. Das ist doch aber eigentlich nur Spaß, oder?

Man bekommt den Anreiz durch die Leistung eines anderen. Dann hat man den Ehrgeiz, die Leistung zu erreichen oder zu überbieten. Ich habe zwei Verfolger. Aber das sind keine Konkurrenten, sondern Wanderfreunde. Einer kommt aus Bad Harzburg, der andere ist der Arzt Michael Broutschek aus Wernigerode. Der läuft in der Mittagspause hoch. Man muss seine Verfolger immer im Auge behalten und kann sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Ich habe ja erst mit 58 angefangen. Aber Michael Broutschek steht noch voll im Berufsleben und hat schon 2500 erreicht, der wird mich irgendwann einholen. Man könnte sagen, der ist noch viel verrückter als ich.

Gibt es auch unfairen Wettbewerb?

Neid muss man ignorieren. Leute von außerhalb sind begeistert, die gratulieren mir. Aber ein paar Leute aus dem näheren Umfeld sind Neider. Die sehen schon rot, wenn ich mal in der Volksstimme auftauche. Und man sollte sich nicht von der Kritik beeinflussen lassen.

Was heißt Kritik?

Man hört dann, das sei nicht gut, man macht sich die Knochen kaputt. Ich finde aber, dass ich in Sachen Gesundheit ein Vorbild gerade für Ältere bin. Aber trotzdem heißt es immer, „der ist verrückt“. Mit solchen Leuten kann man nicht vernünftig reden, weil sie keine Verbindung zum Wandern haben und sich nicht in die Situation hineinversetzen können. Andere wiederum gönnen einem das nicht. Außenstehende nennen mich schnell verrückt, weil sie es nicht begreifen. Mich spornt das aber noch weiter an.

Haben Sie schonmal überlegt, einen anderen Weg zu gehen? Der Eckerlochstieg wird doch irgendwann langweilig.

Ich bin natürlich schon alle Wege gelaufen. Aber überwiegend gehe ich das Eckerloch hoch, weil es der kürzeste Weg und Teil des Teufelsstiegs ist. Dort kann man auf den Spuren von Mephisto und Doktor Faustus wandern! An die Steine und die großen Absätze habe ich mich gewöhnt. Den Königsberger oder den Goetheweg gehe ich manchmal runter, aber nicht hoch. Die sind endlos. Und die Brockenstraße gehe ich schon gar nicht hoch. Runter nehme ich oft die Alte Bobbahn. Früher bin ich auch von Wernigerode öfter hoch, über den Höllenstieg.

Welcher ist der schönste Weg auf den Brocken?

Das werde ich oft gefragt. Den Eckerlochstieg kann man nicht als schönsten bezeichnen, aber es ist einer der interessantesten. Der schönste Weg für mich ist der von Torfhaus über den Goetheweg, weil man da immer den Brocken vor sich hat und rechts und links die Moore. Der schönste Weg nach unten ist der Hirtenstieg bzw. Heinrich-Heine-Weg, mal abgesehen von den Betonplatten. Da hat man einen fantastischen Blick über das Harzvorland und die Eckertalsperre.

Was war Ihre größte Tour?

Das war auch am Brocken, im Zusammenhang mit der Aufholjagd am Anfang. Da bin ich fünfmal zum Gipfel und zurück. 60 Kilometer, teilweise im Laufschritt. Ich habe bloß 14 Stunden gebraucht. Da staune ich heute auch. Das war meine ausdauerndste Tour, mit dem Ziel im Auge, den sogenannten König einzuholen. Konkurrenz belebt das Geschäft.