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ESA-Astronaut Reiter: Die Raumfahrt braucht mehr Frauen

ESA-Astronaut Thomas Reiter wirbt in Magdeburg für mehr privates Engagement im Weltraum

Von Uwe Seidenfaden 12.06.2016, 10:00

Magdeburg l „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen …“ heißt es beim deutschen Dichter und Journalisten Matthias Claudius. Nur wenige können das besser als der Astronaut Thomas Reiter, der in seinem Leben etwa 5600 Mal die Erde umrundete. Am Donnerstag war der 58-jährige ESA-Astronaut zu Gast in Magdeburg. Er sprach über seine Erlebnisse sowie über die Möglichkeiten, die auch Schüler, Wissenschaftler und Unternehmen aus Sachsen-Anhalt haben, an der Weltraumforschung teilzunehmen.

Reiter hat der außerirdische Blick auf die Erde geprägt. Er konnte ihn bei zwei Raumflügen genießen – einmal während eines 179-tägigen Aufenthalts auf der russischen Station MIR und ein weiteres Mal während eines 171 tägigen Aufenthalts auf der Internationalen Raumstation ISS. Der gebürtige Frankfurter weiß wie es ist, im Space Shuttle zu fliegen und in einem Sojus-Raumschiff. Und er kann darüber so spannend berichten, dass seine Zuhörer davon mitgerissen sind.

Reiter hält die Internationale Raumstation für mehr als ein außerirdisches Forschungszentrum. Es sei auch ein staatenübergreifendes, friedensstiftendes Projekt, an deren Fortsetzung bis mindestens Ende 2024 rund zwei Dutzend internationale Partner interessiert sind.

Die Chancen auf die Entwicklung eines rein europäischen Raumschiffs beurteilte Reiter derzeit als gering. Immerhin: Es gibt Kooperationen mit der NASA und der US-Firma Sierra Nevada, um gemeinsam eine neue Raumkapsel namens Orion und eine kleine Raumfähre namens Dream Chaser zu entwickeln.

Gegenüber der Volksstimme bedauert Thomas Reiter, dass unter den zwölf deutschen Astronauten bislang keine Frau war. Alle anderen großen Raumfahrtnationen schneiden im Geschlechter-Proporz besser als Deutschland ab. Eine absichtliche Benachteiligung deutscher Frauen sieht der ESA-Mitarbeiter dennoch nicht.

Die größte Hürde: Seit 2009 gibt es keine nationalen Astronauten-Auswahlverfahren in Europa mehr, sondern nur noch eines auf europäischer Ebene. In der vorerst letzten Kandidatenrunde waren rund 20 000 Frauen und Männer. Nur 16 Prozent davon waren weiblichen Geschlechts. Für das jüngste ESA-Astronauten-Corps wurden sechs Raumfahrer ausgewählt, darunter eine Frau, die Italienerin Samantha Cristoforetti. Das entspreche etwa dem Kandidaten-Prozentsatz. „Das Geschlecht oder die Nationalität spielt bei der Suche nach geeigneten ESA-Astronauten keine Rolle“, bekräftigt Reiter.

Mit der Nachfrage nach Astronauten von US-Privatunternehmen wie SpaceX, Blue Origin, Sierra Nevada , XCOR, Armadillo Aerospace und Virgin Galactic könnte in den kommenden Jahrzehnten die Nachfrage nach Astronauten und Astronautinnen steigen. Thomas Reiter hofft, dass Europa in der Weltraumerforschung technologisch im Spiel bleibt. Dafür will er viele junge Menschen für Naturwissenschaften und Technik begeistern.