1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Was steckt hinter Trümpers Alarm?

Flüchtlinge Was steckt hinter Trümpers Alarm?

Die Stadt erwartet bis zum Jahresende 2600 Flüchtlinge, hat aber kaum noch freie Wohnungen.

Von Jens Schmidt 08.09.2015, 01:01

Magdeburg l Magdeburgs Stadtrat hat am Montag Abend grünes Licht für weitere 470 Wohnungen und die Anmietung eines Hotels mit 57 Zimmern gegeben. Doch das reicht nicht. Mehr als 1000 Plätze muss die Stadt in den nächsten Wochen noch finden. „Die Lage ist kaum noch beherrschbar“, sagt Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD).

Trümper fordert die Landesregierung auf, deutlich schneller weitere 3000 bis 4000 zentrale Erstaufnahmeplätze zu schaffen, damit nur noch Flüchtlinge mit sicherem Bleibe- status auf die Kommunen verteilt werden. Das sind vor allem Syrer, Iraker und Afghanen. Wer keinen Asylgrund hat, sollte gleich vom Land abgeschoben werden.

Die Regierung plant, im Frühjahr 2016 eine zweite Zentrale Anlaufstelle (Zast) in Halle einzurichten. Die Zast Halberstadt hat 2200 Plätze. Ein Konzept für weitere 2000 winterfeste Plätze sollen heute vorgestellt werden. Fürs Land werden 23 000 Flüchtlinge erwartet.

Trümpers Klage schlägt landespolitisch Wellen. Grüne und Linke üben heftig Kritik. Innenpolitiker Sören Herbst (Grüne) meint, angesichts von 10 000 leerstehenden Wohnungen in der Stadt sei die Unterbringung kein unlösbares Problem. „Wir stehen vor einer Herausforderung, wir haben aber keine Notlage.“ Trümpers Ton sei verheerend und gebe jenen Wasser auf die Mühlen, die Hass streuen. Ähnlich äußert sich der Fraktionschef der Linken Wulf Gallert: „Für Menschlichkeit oder Abschottung – Sachsen-Anhalt muss sich für einen Weg entscheiden. Trümpers Aussagen bedeuten nichts anderes, als dass das Boot voll sei.“

Trümper nannte die Einwände „Gequatsche von Leuten, die keine Ahnung haben“. Leerstehende Wohnungen seien nicht schnell verfügbar. „Die waren für den Abriss vorgesehen, da sind Wärmeverteiler abmontiert, es fehlt an Wasser, Abwasser und Brandschutz.“ Es dauere Wochen und Monate, diese herzurichten. Vorsichtig auf Distanz zu Trümper ging SPD-Landeschefin Katrin Budde. „Ja, die Kommunen sind ebenso wie die Länder durch die Unterbringung von Flüchtlingen sehr stark belastet, vor dem Kollaps stehen sie aber keineswegs.“

„Auch wir sind an der Grenze“, sagt Dessaus Oberbürgermeister Peter Kuras (FDP). „Wir kommen mit der Herrichtung von Wohnungen bald nicht mehr hinterher.“ In den Landkreisen ist die Lage angespannt. „Aber durchaus beherrschbar“, meint Michael Ziche (CDU), Landrat von Salzwedel und Präsident des Landkreistages. Auch in den Kreisen könne man oft nicht auf leerstehende Wohnungen zurückgreifen. „Vielerorts wurden bereits oberste Stockwerke abgeklemmt, und die neuen Leitungen wurden geringer dimensioniert.“ Finanziell müsse das Land auf alle Fälle nachlegen. Die 8600 Euro je Flüchtling und Jahr reichen nicht. Optimistisch ist Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand: „Die Lage ist eine Herausforderung, die wir aber bewältigen werden.“