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Gedenken Harz arbeitet Hexenprozesse auf

In der Walpurgisnacht feiert der Harz die Hexen. Noch im 17. Jahrhundert wurden sie dort verfolgt. Daran erinnert eine Gedenktafel.

29.04.2017, 16:28

Wenigerode l Mit Hakennase, grüner Schminke im Gesicht und einem langen Rock bekleidet will Andreas Vogt aus Düsseldorf am Sonntag in Wernigerode im Harz aufschlagen. Im Schlepptau wird der 52-Jährige ungefähr 90 Rheinländer haben, die ebenfalls als Hexen verkleidet in der Harzstadt Walpurgisnacht feiern wollen. Seit dem Jahr 2000 gibt es die Tradition der sogenannten Düsselhexen, die ohne feste Vereinbarung mit der Stadt jedes Jahr zu Walpurgisnacht den Oberbürgermeister nach rheinischer Karnevalstradition aus dem Rathaus treiben.

Trotz des Klamauks stellte Düsselhexen-Anführer Vogt 2011 eine ernsthafte Anfrage an den Wernigeröder Stadtrat. Er forderte die Rehabilitierung der Opfer von Hexenverfolgung, die im 16. und 17. Jahrhundert in Wernigerode wie anderswo zu vielen Todesurteilen geführt hatte. Und biss damit sechs Jahre lang auf Granit.

Seit Januar gibt es nun eine Gedenktafel in der Harzstadt, gestaltet von Schülern der freien Schule Grovesmühle, die mit dem Entwurf beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten den Landespreis holten. „Der Druck auf die Stadt wurde zu groß, das freut uns natürlich“, sagt Vogt, der mit der Gedenkaktion auf Verfolgung und Diskriminierung in der heutigen Zeit aufmerksam machen will.

Dass Wernigerode an die Hexen erinnern wollte, bezweifelte er lange. Wernigerodes Kulturamtsleiterin Silvia Lisowski begründet die lange Wartezeit mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas durch den Heimat- und Geschichtsverein. Zögerlich sei man auch gewesen, weil man die Walpurgisfeierlichkeiten im Harz und das Gedenken an die Opfer nicht vermischen wollte. „Jede Stadt, die im Harz liegt, steht da zwischen zwei Stühlen. Einerseits hat man die Vermarktung von Hexen, andererseits die dunkle Geschichte“, sagt Lisowski. Inzwischen wisse man mehr. Zum Beispiel, dass unter den Verurteilten Hexen auch Mörder und andere Schwerverbrecher waren. Und dass auch Männer verurteilt wurden. „Man kann nicht sagen, dass es bei jedem Hexenprozess ein unschuldiges Opfer gab“, so Lisowski.

47 Todesurteile wurden zwischen 1521 und 1665 in Wernigerode ausgesprochen. 15 Opfer waren nach Erkenntnis des Heimatvereins unschuldig. Viele Akten sind aber unvollständig. Die Gedenktafel erinnert ausdrücklich nur an die, die „unschuldig gefoltert und/oder hingerichtet wurden.“

Die Geschichte der zu Recht Beschuldigten bestätigt Uwe Lagatz. Der 54-Jährige ist Lehrbeauftragter für Tourismusgeschichte an der Hochschule Harz und Mitglied des Heimat- und Geschichtsvereins Wernigerode. Noch 2013 riet er im Stadtrat von einer pauschalen Rehabilitierung der verurteilten Hexen ab. „Man kann immer versuchen, sich in die damalige Zeit reinzudenken, aber es wird einem nicht wirklich gelingen“, sagt Lagatz. „Deswegen sollte man diese Dinge nicht aus der Perspektive von heute sehen.“

In Wernigerode werde nicht die Hexenverfolgung, sondern die Walpurgisnacht vermarktet. Das Frühlingsfest, das auf heidnische Bräuche zurückgehen soll, gab es schon, bevor Hexen auf dem Scheiterhaufen brannten. Die Touristen, die zur Walpurgisfeier im Harz kommen, interessiere das Gedenken eher weniger, sagt der Wissenschaftler. „An die Verbrennungen denkt keiner, die Leute wollen Party machen.“

In andere Orte in Wernigerode soll das Hexengedenken erstmal keinen Einzug halten. Im Wernigeröder Harzmuseum sei neben der Dauerausstellung wenig Platz, so Kulturamtschefin Lisowski. Auch Andreas Vogt will dieses Jahr keine neuen Forderungen stellen. „Ziel erreicht“, sagt er.