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Gefährlicher Trend Selfies auf Schienen

In Sachsen-Anhalt tauchen immer wieder Selfies auf, die an Gleisen entstanden sind. Die Bundespolizei warnt vor der gefährlichen Kulisse.

13.05.2017, 08:48

Magdeburg (dpa) l Ein Brautpaar auf Schienen, eine junge Frau mit Hund im Gleisbett: Die Bundespolizei in Sachsen-Anhalt findet immer wieder Fotomotive im Internet, die illegal und wohl auch unter Lebensgefahr entstanden sind. "Wir finden Selfies von Freundinnen, die ihre Verbundenheit zeigen wollen, aber auch sehr professionell anmutende Bilder", sagt die Präventionsbeamtin der Bundespolizeiinspektion Magdeburg, Katrin Beiersdorfer. Die 45-Jährige klärt in Schulen auf, wenn Schüler illegal an Gleisen unterwegs waren – oft, um für Fotos zu posieren. Sie treffe auf viel Unwissen und Naivität bei den Kindern und Jugendlichen.

Beiersdorfer erklärt ihnen, dass sie so gut wie keine Chance haben, die Gleise unbeschadet zu überqueren, wenn sie den Zug sehen. Der Fahrer habe keine Chance, rechtzeitig zu halten. "Sie unterschätzen die Gefahr. Sie sind so vertieft, dass sie gar nicht hören, dass der Zug kommt", erklärt Beiersdorfer. Ein Zug, der mit 160 Stundenkilometern unterwegs sei, fahre 44 Meter in einer Sekunde.

Für die Schüler hat sie Videos dabei, die zeigen, wie lang der Bremsweg ist und auch wie stark die Sogwirkung eines vorbeirauschenden Zuges. Besonders still werde es immer, wenn sie das Video eines Theaterstücks von Schülern zeige, in dem ein solcher Unfall nachgestellt werde mit allen Konsequenzen für die Lokführerin, die Polizeibeamten und die übrig gebliebenen Freundinnen.

Die Präventionsbeamtin ist nahezu täglich an Schulen in Sachsen-Anhalt unterwegs und klärt über die Gefahren an den Gleisen auf. Ihre jüngsten Teilnehmer gehen in die dritte, vierte Klasse, ihre ältesten sind Berufsschüler.

Zahlen dazu, wie viele gefährliche Foto-Aktionen an Schienen es gibt, hat die Bundespolizei nicht. Sie werden als unbefugtes Betreten von Gleisanlagen und damit als Ordnungswidrigkeit gewertet. Wenn tatsächlich ein Zug kommt, geht es in den Bereich der Straftaten etwa mit dem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr. Den Trend zu Selfies im Gleis gebe es seit 2014 verstärkt in Sachsen-Anhalt.

Beiersdorfer reagiert nicht nur auf Fotos, die es schon gibt – sie denkt auch voraus. Zuletzt hatte sie ein Flyer für einen Mitmach-Foto-Workshop in Magdeburg erreicht. Die Organisatoren warben mit Tipps, wie sich besonders schöne Selfie-Collagen mit dem Smartphone erstellen lassen. "Ich befürchte, dass sich so etwas hochschaukelt – jeder will ein noch tolleres Bild machen." Nicht selten würden Gleise als starkes Symbol gewählt. Die Bahnschienen stünden für Fernweh, den Lebensweg, die Unzertrennbarkeit.

Das dachte sich auch ein Paar, das sich in Brautkleid, weißem Hemd, Krawatte und Weste mitten auf Schienen fotografieren ließ. Und zwar für einen Wettbewerb um das schönste Brautpaar in Staßfurt. Beiersdorfer sagt, das Bild habe ihr den Atem stocken lassen. Der Mann sitzt auf einem Stuhl, die Füße gefesselt mit einem Schild "Du gehörst jetzt mir!" im Arm. Die Frau deutet an, ihm den Mund zukleben zu wollen. Ob die Bilder an einem toten Gleis entstanden sind oder auf befahrener Strecke ist für Beiersdorfer im Grunde egal. "Es ist wichtig, kein Beispiel zu liefern", betont die Beamtin.