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Güssau-Befragung Ein Abend der offenen Fragen

Mehr als zwei Stunden stellte sich Landtagspräsident Güssau den Journalisten. Die Vorwürfe konnte er nicht entkräften.

07.08.2016, 16:08

Magdeburg l Es ist bereits sechs Minuten vor 18 Uhr, als Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) am Freitagabend vor die Presse tritt – zwei Stunden nach dem eigentlich angekündigten Termin.

Güssau entschuldigt sich bei den Journalisten. Fast vier Stunden hatte er zuvor in den Fraktionen von Grünen und AfD Rede und Antwort gestanden – weit länger als geplant.

Nun sitzt der 53-Jährige in einem kleinen Besprechungszimmer des Landtags. Die Strapazen des Tages sind Güssau anzusehen. Vor ihm liegen gelbe Ordner, hinter ihm hängt ein Linolschnitt der Mechthild von Magdeburg. Ein gutes Dutzend Journalisten wartet auf die angekündigte Aufklärung.

Es gelten ungewöhnliche Bedingungen: Lediglich geladene Redaktionen haben Zutritt und dies auch nur mit einem Vertreter. Bildaufnahmen soll es nur zu Beginn geben, Tonmitschnitte sind untersagt.

Das trifft wohl auch auf die dann folgenden 130 Minuten zu. Nur am Anfang wird Güssau deutlich: „Es ist eine Katastrophe für die Demokratie, wenn Wahlen gefälscht worden sind.“ Und: „Ich habe nicht vertuscht, nichts getarnt und nicht getrickst.“

Doch dem Landtagspräsidenten gelingt es in den folgenden zwei Stunden nicht, diese Vorwürfe zu entkräften.

Güssau erklärt weitschweifig. Er geht in Details, die nur Kenner der Stendaler Szene nachvollziehen können und wenig mit dem Verdacht zu tun haben, er habe die Wiederholung der Briefwahl und eine Strafanzeige wegen Wahlfälschung verhindern wollen.

Immer wieder blättert er in den Ausdrucken seiner elektronischen Nachrichten. Doch während er Nebensächlichkeiten aus dem Zeitraum vor zwei Jahren noch sehr präsent hat, weiß er keine Antwort darauf, wann er wusste, dass das Rathaus zu viele Briefwahlvollmachten ausgegeben hatte.

Unklar bleibt auch, wie es ab dem 21. Juni zur Überprüfung der Unterschriften auf den Vollmachten gekommen ist. Den Vorwurf, dass er Ende Juni den ehemaligen CDU-Stadtrat Holger Gebhardt empfohlen hat, bewusst eine falsche Antwort auf eine Medienanfrage zu geben, kann Güssau nicht entkräften.

Klar festlegen lässt sich der Christdemokrat nur, dass ihm am 5. November das ganze Ausmaß der Fälschungen bekannt ist. An dem Tag lässt die Staatsanwaltschaft die CDU-Geschäftsstelle und die Wohnung des Hauptverdächtigen Gebhardt durchsuchen.

Das Pressegespräch nimmt bisweilen bizarre Züge an. Zur politischen Brisanz seines Handelns will sich Güssau trotz mehrfachen Nachfragens nicht klar äußern. Immer wieder umschifft er diesen Aspekt.

Zwischenzeitlich holt er das Smartphone des Stendaler CDU-Kreisvorsitzenden Wolfgang Kühnel aus der Tasche und lässt Journalisten mitlesen, was er diesem in der Nacht des 7. Juli schreibt, als im Stendaler Stadtrat der Versuch gescheitert war, die Briefwahlwiederholung zu verhindern. „Wir haben gekämpft und verloren“, heißt die erste WhatsApp-Nachricht. Die zweite: „Briefwahl neu“. Es folgen im Minutentakt ein paar kommunalpolitische Schmonzetten. Entlastung sieht anders aus.

Richtig klar wird nur, dass Hardy Peter Güssau im Amt bleiben will. Er werde nicht zurücktreten, bekräftigt er am Ende und fügt hinzu: „Wenn es einen Antrag gibt, werde ich mich abwählen lassen.“ Vorzuwerfen habe er sich nichts. Er sei mit sich im Reinen und könne in den Spiegel schauen. „Ich sollte ein wenig abnehmen“, versucht er eine typische Güssau-Pointe. Die Journalisten gucken da nur noch recht gequält.

„Wahrscheinlich werden wir uns peinlich berührt anschauen, wenn sich alles aufklärt“, hatte Güssau Anfang der Woche vollmundig verkündigt. Er wird das wohl anders gemeint haben.

Am Freitagabend bot der Landtagspräsident den Journalisten noch an, offene Fragen schriftlich zu stellen. Er werde sie schnellstmöglich beantworten. Die Volksstimme schickte seinem Büro am Sonnabend mehr als 20.