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Behinderung Monatelanges Tauziehen um Kita-Besuch

Ein behindertes Kind soll eine Kita besuchen. Doch das sorgt für Streit. Sachsen-Anhalts Behindertenbeauftragter erhebt schwere Vorwürfe.

Von Dennis Lotzmann 28.02.2017, 00:01

Trautenstein l Zwischen dem Behindertenbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt, Adrian Maerevoet, und dem Bürgermeister der Stadt Oberharz am Brocken, Frank Damsch, ist es zu einem heftigen Konflikt gekommen. Dreh- und Angelpunkt ist die Betreuung eines drei Jahre alten und körperlich behinderten Mädchens in einer kommunalen Kindertagesstätte (Kita) der Oberharz-Stadt, um die seit anderthalb Jahren gestritten wird. Nun eskaliert der Streit, nachdem Maerevoet dem Sozialdemokraten Damsch öffentlich „diskriminierendes Verhalten“ vorgeworden hat. Worte, die Damsch zurückweist.

Im Mittelpunkt des seit Monaten schwelenden Konfliktes steht die kleine Isabella, die im Oberharz-Ortsteil Trautenstein lebt. Das Mädchen leidet, wie Mutter Carina Rannacher erklärt, unter Gelenksteife und könne deshalb nicht laufen. Weil Isabella ansonsten ein „ganz normales Kind“ sei, wünschen sich die Eltern eine Betreuung in einer Kindereinrichtung im dörflich geprägten Umfeld. Und genau dafür gebe es seit rund anderthalb Jahren trotz mehrfach ärztlich attestierter Tauglichkeit keine Lösung, bedauert die 32-Jährige.

Zunächst hätten sie und ihr Mann die Kita im Ortsteil Benneckenstein im Blick gehabt. Weil dort bauliche Hürden vorhanden seien, habe man sich auf die Kita in Tanne fokussiert. Doch auch dort habe sich die Tür für Isabella bislang nicht geöffnet.

Dabei stehe selbst Kita-Leiterin Antje Gropp den Wünschen offen gegenüber, betont die Mutter. Was die Chefin gegenüber der Volksstimme ein Stück relativiert. „Ich würde das machen und das Kind aufnehmen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“ Und genau darum dreht sich der Streit.

Bürgermeister Frank Damsch sieht sich von den vorgesetzten Behörden allein gelassen. „Ich bin kein Experte, habe keine medizinische Fachkenntnis und weiß nicht, welche Betreuung das Mädchen braucht“, so Damsch zur Volksstimme. Es gebe kaum vergleichbare Fälle im Land und daher kaum Wissen rund um die Krankheit und den nötigen Betreungsumfang. Auf seine Kernfragen, welche baulichen Gegebenheiten in der Kita nötig seien und wie das Personal befähigt sein müsse, habe er bislang keine Antwort bekommen, so Frank Damsch.

Der Konflikt schwelt seit Monaten. Deshalb müssen die Eltern Tag für Tag jonglieren, um ihr Kind irgendwie betreuen zu lassen, berichtet die Mutter.

Dabei war im Herbst vorigen Jahres eine Lösung in Sicht. Die Kreisverwaltung bot drei integrative Kitas mit Aufnahmemöglichkeiten an, allerdings außerhalb der Oberharz-Stadt. Das aber wollten die Eltern nicht. Weil sie – erstens – Integration im dörflichen Umfeld wünschen und – zweitens – aus beruflichen Gründen auf Tanne setzen. Soll heißen: Der Elternwunsch bleibt bestehen und ist laut Kinderförderungsgesetz damit bindend.

Ein Fakt, der Bürgermeister Frank Damsch in einer großen Runde mit Vertretern verschiedener Behörden noch einmal deutlich geworden ist, wie er selbst bestätigt. Bei dem Treffen sei vor einer Woche klar geworden, dass die Oberharz-Stadt im Zugzwang ist.

Und noch etwas sei verabredet worden, betont der Behindertenbeauftragte Maerevoet, der der Runde beiwohnte: „Zeitnah sollte eine stundenweise und von den Eltern begleitete Probeaufnahme des Mädchens in der Kita starten, um den konkreten Betreuungsbedarf im Alltag zu ermitteln.“ Genau dagegen, so Maerevoet, sperre sich Frank Damsch nun wieder: „Obwohl er selbst zugibt, die bestehenden Anforderungen nicht zu kennen, macht er extreme Personalforderungen auf.“

Was Damsch bestätigt: „Ich bin zwar Laie, aber sicher ist, dass das Mädchen eine Eins-zu-Eins-Betreuung braucht.“ Soll heißen: Er fordert eine zusätzliche Betreuungskraft und will den Posten jetzt ausschreiben.

Was so nicht funktionieren werde, betont Maerevoet. Das Land zahle grundsätzlich 1000 Euro pro Kind und Monat, bei Bedarf auch mehr. Über alle Details müssten jedoch Mitarbeiter der Sozialagentur im Rahmen einer Begutachtung entscheiden. Dafür müsste das Kind aber erst einmal die Kita besuchen dürfen.